Knapp verloren, aber »einfach nur stolz«

Drei ist eine zu viel: In der Anfangsphase rollte ein Angriff nach dem nächsten auf das Tor von Borussia Dortmund zu. Der Frauen-Regionalligist traf in der ersten Runde des DFB-Pokals auf den großen FC Bayern München. Pernille Harder (1. Minute/16.) und Klara Bühl (3./12./18.) vergaben beste Torchancen, weil die BVB-Torhüterin Laura van der Laan mit starkem Stellungsspiel glänzte. Die 27 Jahre alte van der Laan ist die viertälteste Spielerin im sehr jungen Kader der Borussia, vor dieser Saison kam sie aus der Zweiten Bundesliga nach Dortmund. Doch in der 27. Minute war es dann so weit: Van der Laan parierte erst gegen Alara, hielt Sekunden später einen Distanzschuss von Arianna Caruso, war dann aber bei Harders Versuch im Nachsetzen machtlos. Das Spiel nahm den erwarteten Verlauf.

Das Ergebnis: Die Bayern stehen nach einem 2:0 (2:0)-Sieg beim BVB im Achtelfinale des DFB-Pokals. Harder traf nach schöner Einzelleistung erneut (33.), nach der Pause fielen keine weiteren Tore. »Respekt an Dortmund«, sagte Harder. »Es war cool. Dortmund ist ein großer Klub und es ist schön zu sehen, dass sie ein ambitioniertes Frauen-Team haben.«

Viel Ballbesitz, wenig Torchancen: Wenn die BVB-Frauen in den vergangenen Jahren gegen höherklassige Gegnerinnen gespielt haben, war eines offensichtlich: In Sachen Athletik stießen die Spielerinnen sehr schnell an ihre Grenzen. An diesem verregneten Abend in Dortmund war das anders. Die Bayern dominierten das Spiel, sie hatten sehr viel Ballbesitz, aber die leidenschaftlich verteidigenden Gastgeberinnen ließen nie locker und kaum noch Torchancen zu. Bei einem Schuss von Jasmin Jabbes (59.) und einem verunglückten Kopfball der eingewechselten Lena Oberdorf (73.) hätte gar der Anschlusstreffer fallen können. Borussia Dortmund wird aus diesem Spiel viel Selbstvertrauen ziehen. »Wir sind gerade einfach nur glücklich und stolz«, sagte BVB-Kapitänin Paula Reimann.

Das erste Mal: Fußballerinnen sind bisweilen genervt, wenn sie mit Männern verglichen werden. Dies ist so verständlich (wenn es um Leistung geht) wie realitätsfern (wenn es um Abende wie diesen geht). Sportlich hatte dieses allererste Duell (noch) keine Relevanz, zu deutlich war die Überlegenheit der Bayern. Und doch kamen 15.755 Fans. Weil es eben Dortmund gegen Bayern ist, weil es die Rivalität zweier Vereine abbildet. Der Fußball der Frauen wird bei den Klubs – nicht nur in Deutschland – ein Abbild des Fußballs der Männer. Das finden nicht alle gut, aber diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.

Die Heimat ist rot: Der BVB bot an diesem Abend etwas für Fußballnostalgiker. Gespielt wurde im Stadion Rote Erde, 1924 als Kampfbahn Rote Erde eröffnet. Im Schatten des Westfalenstadions gelegen, mit roter Tartanbahn, einer überdachten Tribüne und dem Marathontor im Süden. Eigentlich sind in der Roten Erde nur 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen, doch der BVB erhielt für das Pokalspiel eine Sondergenehmigung – und das Stadion war ausverkauft. Ein Umzug ins große Stadion stand, trotz der Möglichkeit, deutlich mehr Tickets zu verkaufen, nicht zur Debatte. In der Regionalliga spielen die BVB-Frauen auch in der Roten Erde, das Stadion »ist unsere Heimat«, sagte Abteilungsleiterin Svenja Schlenker.

Vier Aufstiege in vier Jahren: Schlenker verantwortet den Bereich Frauen- und Mädchenfußball bei Borussia Dortmund vom ersten Tag an. Unter ihr fiel die Entscheidung, trotz aller Ambitionen in der Kreisliga anzufangen. Mit dem langjährigen Trainer Thomas Sulewski formte und entwickelte Schlenker ein Team, das von Sieg zu Sieg, von Aufstieg zu Aufstieg eilte. Nun ist der BVB in der Regionalliga angekommen, zwei Aufstiege fehlen noch, bis es in der Bundesliga jährlich zwei Duelle mit den Bayern geben dürfte. Lesen Sie hier von den »Göttinnen der Kreisliga« , einer SPIEGEL-Reportage aus dem Jahr 2022.

Ein bisschen Bundesliga: Mittlerweile ist in Dortmund keine Spielerin der ersten Stunde mehr aktiv. Selbst Marie Grothe, Kapitänin und Torjägerin der vergangenen Saison, verließ den Klub, obwohl sie sportlich in der Regionalliga hätte mithalten können. Doch der BVB hat in dieser Spielzeit das Profitum eingeführt, alle Spielerinnen sind beim Verein angestellt, trainieren zweimal am Tag, Grothe hätte dafür ihren Beruf als Diabetesberaterin aufgeben müssen. Frederike Kempe (RB Leipzig) und Sara Ito (Turbine Potsdam) bringen im BVB-Kader Bundesligaerfahrung mit, viele andere haben bereits in der 2. Liga gespielt. Und statt Sulewski steht mittlerweile Markus Högner an der Seitenlinie. Högner ist extrem erfahren und bekannt für seinen guten Umgang mit Talenten. So trainierte er bei Bundesligist SGS Essen zu Beginn ihrer Karrieren die Bayernspielerinnen Lea Schüller und Oberdorf.

Wer falsch wechselt, wird bestraft: In den vier Jahren zuvor verloren die Dortmunderinnen gerade mal ein Ligaspiel, hinzu kamen zwei Remis, bei 525 geschossenen Toren. Mit Högner soll der nächste Aufstieg gelingen, dann wäre der BVB im kommenden Jahr zweitklassig, doch nun gerät der schwarz-gelbe Zug ins Stocken. In der Regionalliga West stehen die Dortmunderinnen aktuell nur auf Platz sechs. Gegen den 1. FC Köln II verlor der BVB nach zwei späten Gegentoren 3:4 und der 3:0-Sieg gegen Deutz 05 wurde vom DFB nachträglich in eine 0:2-Niederlage umgewandelt.

Der Grund? Ito wurde eingewechselt, obwohl sie nicht auf dem Spielberichtsbogen stand, gegen diese Entscheidung will der BVB vorgehen. Sechs Punkte beträgt aktuell der Rückstand auf Tabellenführer Köln, der erste Platz berechtigt zudem nur zur Teilnahme an einer Aufstiegsrelegation gegen den Sieger der Regionalliga Südwest. Oben wird die Luft bekanntlich dünner.

Für die Bayern geht es jetzt erst los: In den vergangenen drei Jahren gewannen die Bayern-Frauen jeweils die Meisterschaft, 2025 zudem erstmals das Double. Da werden Spiele gegen Regionalligisten schnell zur unliebsamen Pflichtaufgabe. Doch das Team des neuen Trainers José Barcala ging die Partie beim BVB sehr professionell an. In den kommenden Wochen geht es in der Bundesliga unter anderem gegen den Dauerrivalen VfL Wolfsburg und in der Champions League gegen Barcelona, Juventus und Arsenal.

Doppeltorschützin Pernille Harder

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Im Hintergrund die markanten gelben Streben des Westfalenstadions: Die Frauen des BVB spielen in der Roten Erde

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Christof Koepsel / DFB / Getty Images

Sara Ito verteidigt gegen Georgia Stanway den Ball

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Marco Bader / HMB-Media / IMAGO

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