Wer rettet die Wanderer am Mount Everest – und wie?

Ein Wanderurlaub im tibetischen Gebiet am Mount Everest ist für Hunderte Trekkingtouristen zu einem Albtraum geworden: Auf dem Weg zu den Basecamps wurden die Wanderer von einem heftigen Schneesturm überrascht. Ein Teil der Gruppe konnte schon gerettet werden, bislang ist unklar, ob der Sturm Opfer forderte.

Die Lage am Mount Everest im Überblick:

Was ist am Mount Everest passiert?

Nach einem heftigen Schneesturm waren fast 1000 Menschen auf der Ostseite des Mount Everest auf 4900 Meter Höhe eingeschlossen worden. Der Sturm hatte ihre Zelte teilweise beschädigt, die Zufahrtsstraßen wurden durch Schneemassen blockiert.

Rettungstrupps haben mindestens 350 der Touristen in Sicherheit in die kleine Gemeinde Qudang gebracht. Die genaue Zahl der Personen, die nach wie vor auf der tibetischen Seite des Bergs festsitzen, ist bisher unklar. Mit 200 Personen stünden die Retter in Kontakt, berichtete der chinesische staatliche Fernsehsender CCTV. Nach und nach sollen sie ebenfalls den Sammelpunkt erreichen.

Wer ist am Berg unterwegs?

Betroffen sind Hunderte Trekkingtouristen, die nur am unteren Teil des Bergs wandern. Meist werden die Gruppen zum Basislager auf der tibetischen Seite des Bergs geführt, das sogenannte North Base Camp, das auf 5150 Meter Höhe liegt. Zum Basecamp führt eine asphaltierte Straße, danach führt die Route weiter zum Advanced Base Camp, das auf etwa 6400 Metern liegt. Auf dieser Route hat man einen spektakulären Blick auf den Mount Everest und die Gebirgskette des Himalajas.

Die Trips dauern mehrere Tage und sind durchaus anspruchsvoll, nicht zuletzt wegen der dünnen Luft. Bergsteiger und Blogger Stefan Nestler schätzt, dass viele auch zum ersten Mal in solchen Höhen unterwegs seien: Anders als bei Bergsteigtouren zum Gipfel werde hier wohl nicht immer die Vorerfahrung kontrolliert. »Wer zahlt, kommt mit – so ist es in der Praxis bei solchen Trekkingtouren.« Die Touristen seien »zu 100 Prozent abhängig von ihrem Bergführer«, sagt er.

Die Wanderer hatten eigentlich damit gerechnet, dass das Wetter nach dem 4. Oktober aufklaren und der Schneefall weniger würde. »Wir sind alle erfahrene Wanderer«, sagte die 29-jährige Geshuang Chen dem britischen Sender BBC , »aber dieser Schneesturm war trotzdem extrem schwierig. Ich hatte so viel Glück, rauszukommen.«

Viele Chinesen nutzen die freien Tage während der Goldenen Woche, den Nationalfeiertagen im Land, für eine Reise zum Mount-Everest-Gebiet. Im tibetischen Tal Karma waren Hunderte Touristen unterwegs. Die Saison, in der Bergsteiger auf den Gipfel des 8849 Meter hohen Mount Everest steigen, ist vorbei. Für solche Vorhaben sind die Wetterbedingungen im Frühling am besten.

Wie gefährlich ist das Wetter dort aktuell?

In der Region herrschen aktuell extreme Wetterbedingungen: Das benachbarte Nepal wurde von schweren Regenfällen heimgesucht, die Erdrutsche und Sturzfluten auslösten, Brücken wegschwemmten und in den vergangenen zwei Tagen mindestens 47 Menschen das Leben kosteten. Der hohe Niederschlag führte in der Mount Everest Region zu meterhohem Schnee, der die Wanderer heimsuchte.

Die starken Schneefälle hatten am Freitagabend begonnen, woraufhin die Behörden den Zugang zum Gebiet am Samstagabend sperrten. Das Wetter ist im Oktober normalerweise stabil, was die Ostseite des Mount Everest zu einem beliebten Ziel für chinesische Bergwanderer macht.

Probleme birgt auch die Ausrüstung der Höhenwanderer. Viele sind nicht auf das extreme Wetter vorbereitet. Dong Shuchang, 27, ist laut BBC  ein erfahrener Wanderer. Er sagte, die Windjacken und Regenmäntel seiner Wandergruppe seien »dem Schnee nicht gewachsen« gewesen, als der Sturm sie erreichte. »Ich war ungefähr zwanzigmal im Himalaja, aber so ein Wetter habe ich noch nie erlebt«, sagt er.

Wie läuft die Rettung ab?

Die chinesische Polizei hat unter anderem Rettungsteams aus Einheimischen zusammengestellt, die die Touristen nach unten ins Tal begleiten sollen. Offenbar sind die Trupps mit Pferden und Yaks unterwegs. Yaks können unter gefährlichen Bedingungen, wie bei dem tiefen Schnee, nicht nur einen Weg bahnen – die Tiere können auch gefährliche Abgründe aufdecken.

Die Feuerwehr von Tibet gibt an, Rettungskräfte und Fahrzeuge in das Karma-Tal geschickt zu haben, um die gestrandeten Bergsteiger in Sicherheit zu bringen. Einige Wanderer mussten von Rettungskräften auf dem Rücken getragen werden.

Auf der nepalesischen Seite ist die Infrastruktur sehr viel stärker ausgebaut, es gibt dort eine organisierte Bergrettung und auch Rettungshubschrauber, die Verunglückte noch aus Höhen von 7500 Metern bergen können.

Warum ist der Tourismus auf dem Mount Everest umstritten?

Immer wieder werden die Mengen an Bergsteigern und Wanderern, die es zum Mount Everest zieht, kritisiert. Überfüllung, Umweltverschmutzung und eine Reihe tödlicher Kletterversuche sind die Probleme, die der Massentourismus am Berg mit sich bringt.

Für die Region hat der Tourismus aber auch eine große Bedeutung: In Nepal etwa trägt die Branche fast acht Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, eine Genehmigung für die Besteigung kostet derzeit umgerechnet rund 10.000 Euro. Trotzdem wird um den Bergtourismus schon lange gestritten: Für einheimische Sherpas, die Gepäck für Touristen nach oben tragen und den Gipfelsturm für viele erst ermöglichen, ist das Risiko besonders hoch. Als sogenannte Icefall Doctors präparieren Sherpas jedes Jahr die heikelste Passage am Mount Everest .

Der Tourismus bringt auch eine Menge Müll mit sich: Etwa 50 Tonnen Müll sollen sich auf dem Berg angesammelt haben. Lastendrohnen sollen helfen, den Unrat zu beseitigen.

Blick auf den Mount Everest in Tibet

Foto: Fei Maohua / XinHua / dpa

Rettungstrupp mit Pferden und Yaks

Foto: Lingsuiye / AP

Retter tragen gestrandete Wanderer

Foto: Tibet Firefighting Department / REUTERS

Zurückgelassener Müll und Equipment auf dem Mount Everest

Foto: Bidhan Shrestha / REUTERS

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