Wie schafft man es, ein Fußballspiel mit 0:66 zu verlieren, Herr Stritzki?

Im Amateurbereich können Spiele schon mal mit einem ungewöhnlichen Ergebnis ausgehen – aber der Auftritt des Moorburger TSV in der Hamburger Kreisklasse beim SVS Mesopotamien II am Sonntag war sicher etwas Besonderes : Mit 0:66 ging das Team um den selbst spielenden Trainer Patrick Stritzki unter. Der SPIEGEL erreicht Stritzki zwei Tage nach der Niederlage. Der Coach ist bestens gelaunt.

SPIEGEL: Herr Stritzki, reden wir nicht lange um die Sache herum: Wie ist ein 0:66 eigentlich möglich?

Stritzki: Dass man zu wenige Leute auf dem Feld hat, ist sehr hilfreich. Wir waren zu siebt, das ist die Pflichtzahl an Spielern, um überhaupt antreten zu dürfen. Wir hatten im letzten Moment zwei Krankmeldungen und zwei Leute, die wegen Verletzungen doch nicht konnten. Ich habe die Truppe morgens im Chat gefragt, ob wir das wirklich machen wollen. Die Antwort war: Jo.

SPIEGEL: Aber zu siebt ist es ja relativ klar, dass man verlieren wird. Warum sind Sie trotzdem angetreten?

Stritzki: Wir hatten auch im Hinterkopf, dass wir antreten müssen wegen eines vorherigen Spielabbruchs. Der ist uns vom Sportgericht Hamburg zur Last gelegt worden, auch wenn wir das ein bisschen anders sehen. Dieses Spiel wird als nicht angetreten gewertet. Und wenn wir noch mal nicht antreten, sind wir raus aus der Liga. Ich habe der Truppe vorher auch gesagt: Ihr dürft im Spiel gern mal was ausprobieren, was man sonst nicht macht. Tricks wie der von Okocha , was ihr wollt.

SPIEGEL: Wie kann man sich den Spielverlauf vorstellen?

Stritzki: In der ersten Halbzeit haben wir gesagt, wir machen mal ein bisschen defensiver, haben einen nach vorn geschickt, der recht fit ist, und gehofft, mit hohen Bällen ab und zu mal durchbrechen zu können. Leider war die Überzahl zu mächtig, nach 120 Sekunden haben wir das erste Tor bekommen.

SPIEGEL: Zur Pause stand es dann 0:32. Was haben Sie in der Halbzeitansprache gesagt?

Stritzki: Wir haben umgestellt. Ich habe gesagt, ich bleibe jetzt allein hinten mit dem Torwart, alle anderen gehen nach vorn. Ob wir hinten noch mehr Tore einfangen oder nicht, ist egal, aber vielleicht machen wir ja noch eins. Haben wir zwar nicht, aber wir hatten ab dann tatsächlich unsere Gelegenheiten. Es war echt besser als die erste Halbzeit.

SPIEGEL: Sie sind also zufrieden?

Stritzki: Absolut. Unser Torwart hat übrigens super gehalten. Ohne den hätte es dreistellig werden können. Leider hat er sich in der zweiten Halbzeit am Fuß verletzt. Ich hab ihm gesagt, ist egal, lass die Bälle im Zweifel einfach passieren. Ohne dieses Pech wären die bestimmt nicht über 60 Tore gekommen.

SPIEGEL: Im Jugendfußball kommt es ja öfter vor, dass ein Team die Anzahl seiner Spieler freiwillig reduziert, wenn das andere nicht komplett ist. Das scheint für Ihren Gegner, den SVS Mesopotamien II, nicht infrage gekommen zu sein.

Stritzki: Nee, Meso hat durchgezogen und auch bei 40 oder 50:0 noch gut gepresst. Das ist auch kein Problem für mich. Ich habe ein bisschen was gehört, die hatten wohl mit dem Sportgericht auch noch eine Rechnung offen und wollten so hoch wie möglich gewinnen, um denen einen kleinen Gruß dazulassen. Natürlich wäre das cool gewesen, wenn sie gesagt hätten: Komm, wir machen jetzt auch zu acht oder neunt. Aber auch dann hätten sie bestimmt gewonnen. Die sind Tabellenführer, wir Letzter.

SPIEGEL: Sie haben vergangenes Jahr schon ein Spiel mit 2:53 verloren , gegen den TSV Buchholz. Warum hat diesmal die Offensive versagt?

Stritzki: Na ja, wir hatten ja keine.

SPIEGEL: Aber mal im Ernst: Was war denn damals los?

Stritzki: Es gab sogar noch ein weiteres solches Spiel, gegen den FC Süderelbe haben wir mal 2:40  verloren. Das waren beides Matches, da hatten wir eine zusammengekratzte Mannschaft auf dem Feld. Die guten Jungs konnten alle nicht, also haben wir mit denen, die dabei waren, just for fun gekickt.

SPIEGEL: Der Moorburger TSV hat nach dem jüngsten Spiel ein erstaunlich selbstbewusstes Instagram-Posting veröffentlicht : »Unser Team hat heute bewiesen, dass es nicht das Ergebnis ist, das uns definiert«, heißt es darin.

Stritzki: Wir haben einfach Spaß an der Sache, egal unter welchen Umständen. Das wollten wir zeigen. Okay, bis jetzt haben wir null Punkte, dann ist das mal so. Hauptsache, die Leute haben Bock zu spielen. Wenn mal jemand verletzt ist oder krank, dann können wir das nicht ändern. Wir sind alle nicht auf Stress aus – und wenn wir verkacken, dann verkacken wir halt. Ich freue mich immer über zwei schöne Tore, auch wenn wir 8:2 verlieren.

SPIEGEL: Bitte gestatten Sie die Frage: Haben Sie schon mal ein Spiel gewonnen?

Strizki: Ja, das ist auch schon vorgekommen. Ich weiß aber nicht mehr, wann. Es waren auch einige knappe Dinger dabei. Vielleicht können wir die Frage am Montag mit einem dicken »Ja, erst gestern gegen India« beantworten. Wäre auf jeden Fall mega, wenn wir das Kellerduell für uns entscheiden können.

SPIEGEL: Sind Sie stolz auf Ihre Mannschaft?

Stritzki: Definitiv. Ich habe nicht damit gerechnet, dass alle sieben sagen: Ja, lass uns das machen. Aber sie haben.

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