Die Bezeichnungen »Veggieburger« und »Sojaschnitzel« könnten bald von Speisekarten und aus Kühltheken verschwinden. Denn die Namen von ursprünglich typischen Fleischzubereitungen sollen für pflanzliche Lebensmittel untersagt werden. Dafür hat sich das Europaparlament an diesem Mittwoch ausgesprochen.
Wie kam es zu dem Votum, wie schnell könnte es umgesetzt werden und was ändert sich für Verbraucher? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was hat das Parlament beschlossen?
Das Europaparlament will Bezeichnungen wie »Steak«, »Hamburger«, »Burger«, »Wurst« und »Schnitzel« für Fleischalternativen verbieten lassen. Diese Begriffe sollen dem Willen einer Mehrheit der Abgeordneten zufolge künftig nur noch für tierische Lebensmittel verwendet werden dürfen.
355 Abgeordnete stimmten am Mittwoch in Straßburg für eine entsprechende Gesetzesänderung, bei 247 Gegenstimmen. Die Jastimmen kamen vor allem von Fraktionen rechts der Mitte. Aber auch Mitglieder der sozialdemokratischen S&D-Fraktion und der Liberalen stimmten dafür.
Wie schnell kommt das Verbot?
Trotz der Zustimmung des Parlaments ist nicht einmal sicher, ob das Verbot überhaupt kommt. Denn das Parlament muss nun mit dem Rat der 27 EU-Staaten eine endgültige Einigung finden. Ob dabei eine Mehrheit für das Bezeichnungsverbot zustande kommt, ist unklar. Es habe noch gar keine große Debatte dazu gegeben, hieß es im Umfeld des Parlaments.
Die deutschen Abgeordneten von CDU und CSU stimmten mehrheitlich gegen ein Verbot. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese bezeichnete es als »unsinnige Forderung«. Es gebe wirklich andere Probleme und jeder könne selbst entscheiden, ob er einen »Veggieburger« kaufen wolle.
Wie sich die Bundesregierung im Rat positionieren wird, ist noch nicht klar. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Agrarminister Alois Rainer (CSU) hatten im Vorfeld Sympathie für die Verbotspläne gezeigt.
Wie kam es zum Votum des Parlaments?
Hinter der Initiative für das Bezeichnungsverbot steht Céline Imart. Die konservative französische Abgeordnete führt selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sie sitzt erst seit 2024 im EU-Parlament und hatte den Antrag auf das Bezeichnungsverbot im Agrarausschuss in ein Gesetzespaket zur Stärkung der Landwirte in der Lieferkette eingebracht. Dort sei das Bezeichnungsverbot fehl am Platz, sagte der CDU-Abgeordnete Liese dem SPIEGEL. »Das wurde da reingemogelt.« Imart solle den Antrag in den weiteren Verhandlungen fallen lassen.
Liese rechnet nicht damit, dass das Verbot letztlich umgesetzt wird. »Das wird nicht durchgehen«, sagt er. Er gehe auch davon aus, dass Deutschland den Verbotsantrag nicht unterstützen werde. »Es gibt keine Verbrauchertäuschung und deshalb braucht es auch keine EU-Regelung dazu.«
Ganz anders argumentiert seine EVP-Fraktionskollegin Imart. Es bestehe »ein echtes Verwechslungsrisiko« zu tierischen Lebensmitteln, begründete sie das von ihr initiierte Bezeichnungsverbot. Zudem gehe es darum, Landwirte zu schützen. Pflanzliche Lebensmittelhersteller versuchten den Ruf tierischer Lebensmittel, den Generationen von Landwirten aufgebaut hätten, für die Vermarktung von Konkurrenzprodukten zu nutzen. »Ein Steak ist aus Fleisch gemacht – Punkt«, sagte Imart.
Zu den Befürwortern des Verbots in Deutschland gehört auch der Verband der Fleischwirtschaft.
Was sagen Kritiker des Bezeichnungsverbots?
Nicht nur die Veggie-Branche kritisiert das Vorhaben. Auch Verbraucherschützer halten nichts davon. Es sei wenig hilfreich, wenn Ersatzprodukte keine Namen tragen dürfen, die typischerweise mit Fleisch assoziiert würden, teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband mit. Bei einem Begriff wie »Veganes Seitan-Schnitzel« wüssten Verbraucherinnen und Verbraucher, was sie geschmacklich erwarte und welche Ersatzzutat das Produkt enthalte.
Vor allem in Deutschland hat sich eine breite Allianz gegen das Namensverbot gebildet. Darunter der traditionelle Wurstproduzent Rügenwalder Mühle, der inzwischen etwa 70 Prozent seines Sortiments auf vegan oder vegetarisch umgestellt hat. Auch die Discounter Aldi und Lidl sowie die Fast-Food-Kette Burger King hatten einen Brief an EU-Abgeordnete unterzeichnet, um ein Ja zu dem Verbot zu verhindern. »Von dem drohenden wirtschaftlichen Schaden wäre Deutschland besonders betroffen«, hieß es.
Welche wirtschaftlichen Folgen hätte ein Namensverbot für die Veggie-Branche?
Hersteller warnen vor hohen Kosten, etwa um Verpackungen, Produktbeschreibungen, Webseiten und Werbung zu ändern. Ein EU-weites Verbot vertrauter Begriffe gefährde Verbraucherorientierung, Innovationsdynamik und das Wachstum der gesamten Kategorie, teilte Rügenwalder Mühle mit.
Der Branchenverband BalPro warnte, Europa drohe seine Vorreiterrolle in der Entwicklung nachhaltiger Ernährungsinnovationen zu verlieren.
Deutschland ist der größte Markt für pflanzenbasierte Alternativprodukte in Europa. 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 121.600 Tonnen solcher Produkte hergestellt. Seit 2019 hat sich die Menge verdoppelt.
Im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion ist der Markt für Fleischersatz aber noch relativ klein. Der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Produkten wie Veggieburgern oder Tofuwurst lag 2024 bei 1,5 Kilogramm, bei echtem Fleisch waren es 53,2 Kilo.
Wie stehen die Verbraucher zu einem möglichen Verbot?
In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit rund 4200 Teilnehmern gab kürzlich jeder Zweite (50 Prozent) an, Bezeichnungen wie Schnitzel oder Wurst sollten ausschließlich für tierische Produkte verwendet werden dürfen. Pflanzliche Alternativen sollten andere Namen tragen müssen. 28 Prozent lehnen dies ab, 21 Prozent machten keine Angabe.
Nur jedem Vierten (24 Prozent) ist es demnach wichtig, dass sich das EU-Parlament mit der Frage befasst, ob Bezeichnungen wie Wurst, Burger oder Schnitzel für pflanzliche Produkte genutzt werden dürfen. Zwei Drittel (67 Prozent) halten das für unwichtig. Knapp zehn Prozent haben keine Meinung.
Veganes Schnitzel: Kampf um traditionelle Namen
Foto: Marijan Murat / dpa