Eine US-Bundesrichterin hat das Verbot zur Aufnahme ausländischer Studenten in Harvard vorerst gekippt. Die Regierung von Präsident Donald Trump dürfe die Austauschprogramme der Eliteuniversität nicht aufheben, hieß es in der einstweiligen Verfügung der Richterin Allison Burroughs. Die Hochschule war gegen die Trump-Regierung vor Gericht gezogen, weil diese ausländischen Harvard-Studierenden die Visa entziehen will. International stieß das Vorgehen der Regierung auf scharfe Kritik.
Laut den Unterlagen des Gerichts in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts wies Burroughs die Trump-Regierung an, die Zertifizierung des Austauschprogramms von Harvard nicht wie angekündigt zu widerrufen. Ansonsten drohe ein »irreparabler Schaden«, betonte die Richterin. Für kommenden Donnerstag setzte sie eine Anhörung in dem Fall an.
US-Heimatschutzministerin Kristi Noem hatte es Harvard am vergangenen Donnerstag untersagt, ausländische Studenten aufzunehmen. Bereits eingeschriebene Studierende sollten demnach die Universität wechseln oder ihren Aufenthaltstitel verlieren. Noem begründete ihr Vorgehen mit den Hochschulrichtlinien für Gleichstellung und Diversität sowie der »Weigerung« von Harvard, ein sicheres Umfeld für jüdische Studierende zu schaffen.
549 deutsche Studierende in Harvard
Harvard zog dagegen vor das Bostoner Gericht. In der Klageschrift war von einem »Vergeltungsakt« der Trump-Regierung die Rede. Die Universität hatte sich der vom US-Präsidenten geforderten weitgehenden Kontrolle widersetzt.
Ein sofortiges Studienverbot für ausländische Studierende hätte auch Hunderte Deutsche betroffen. Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte zügige Gespräche mit den Partnern in den USA an. Nach Angaben der Harvard-Webseite sind derzeit 549 deutsche Studierende an der Ivy-League-Hochschule eingeschrieben.
Ob sich die Trump-Regierung an die Anordnung der Bundesrichterin hält, ist allerdings ungewiss. In anderen Fällen hatte sich die Regierung über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt, selbst über solche des Obersten US-Gerichts. Rechtsexperten warnen deshalb vor einer Aushöhlung der Gewaltenteilung und einer Verfassungskrise in den USA.
»Massiver Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit«
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, warf den USA einen »massiven Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit« vor. Das Vorgehen der US-Regierung sei »sehr besorgniserregend«, sagte Rosenthal der Nachrichtenagentur AFP. »Der freie Zugang zu akademischen Institutionen ist Kern des Selbstverständnisses wissenschaftlicher Einrichtungen.«
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) kritisierte das Vorgehen der US-Regierung als »ganz, ganz schlecht«. Sie hoffe »sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird«, sagte Bär am Rande eines Treffens der EU-Wissenschaftsminister in Brüssel.
Auch die deutsche Wissenschafts- und Forschungslandschaft reagierte mit Entsetzen. »Es ist erschreckend, wie die Trump-Administration das eigene Wissenschaftssystem demontiert und damit dem eigenen Land, aber auch der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft schweren Schaden zufügt«, sagte Bettina Martin, die Präsidentin der Wissenschaftsministerkonferenz und Ressortchefin in Mecklenburg-Vorpommern, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).
Trump und die Eliteuni im Ostküstenstaat Massachusetts führen seit Wochen einen erbitterten Streit. Der Rechtspopulist hatte die Uni als »antisemitische, linksextreme Institution« bezeichnet, und Harvard vorgeworfen, propalästinensische Proteste auf dem Campus zu dulden. Deshalb strich seine Regierung Harvard bereits mehrjährige Bundeszuschüsse in Höhe von 2,2 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro), insgesamt stehen neun Milliarden Dollar auf dem Prüfstand.
Harvard widersetzte sich jedoch – anders als die meisten US-Universitäten – dem Forderungskatalog der Regierung. Dazu gehört unter anderem, Diversitätsprogramme für Studierende und Angestellte zu beenden, die Einwanderungsbehörde beim Durchleuchten der Studenten zu unterstützen, Studierende und Mitarbeiter auf ihre »Standpunkte« zu überprüfen und die studentische Selbstverwaltung einzuschränken.
Universitätspräsident Alan Garber erklärte Mitte April, die Einrichtung werde »nicht über ihre Unabhängigkeit oder ihre verfassungsmäßigen Rechte« verhandeln.