Jede sechste bakterielle Infektion wird durch resistente Erreger ausgelöst

Jährlich sterben mehr als eine Million Menschen bereits an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Und das Problem könnte noch größer werden: Weltweit sei jede sechste im Labor bestätigte bakterielle Infektion durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst worden, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die Organisation hat das Problem erstmals in Bezug auf 22 häufig gebrauchte Antibiotika quantifiziert, die etwa gegen Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts oder der Blutbahn oder gegen die sexuell übertragbare Gonorrhoe (Tripper) eingesetzt werden. Die neuesten Zahlen stammen von 2023.

Dabei betrachtete die WHO auch verschiedene Kombinationen von Bakterien und Antibiotika. Das Ergebnis: Von 2018 bis 2023 ist die Resistenz bei mehr als 40 Prozent davon gestiegen, und zwar je nach Kombination Bakterium-Antibiotikum um 5 bis 15 Prozent pro Jahr.

In die Studie sind rund 23 Millionen Daten aus mehr als 100 Ländern eingeflossen. »Antibiotikaresistenz ist weitverbreitet und bedroht die Zukunft der modernen Medizin«, warnt Yvan Hutin, Direktor der zuständigen WHO-Abteilung.

Es gibt dem Bericht zufolge große regionale Unterschiede. In Südostasien und im östlichen Mittelmeerraum etwa seien die entsprechenden Bakterien bereits bei einer von drei gemeldeten Infektionen gegen die untersuchten Antibiotika resistent. Das Problem sei besonders in Ländern mit schlecht funktionierenden Gesundheitssystemen verbreitet. 2021 sind nach WHO-Angaben 7,7 Millionen Menschen weltweit an einer bakteriellen Infektion gestorben. Gut 1,1 Millionen seien direkt auf Antibiotika-Resistenzen zurückzuführen gewesen.

Die WHO hat acht weitverbreitete Bakterien betrachtet, die etwa Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts oder der Blutbahn verursachen. Bei mehr als 40 Prozent der E.-coli- und 55 Prozent der K.-pneumoniae-Bakterien seien die gängigen Antibiotika nicht mehr wirksam. In afrikanischen Ländern seien es manchmal mehr als 70 Prozent. Diese Bakterien könnten auch eine Sepsis und schließlich Organversagen auslösen, so die WHO. Noch gebe es dagegen andere Antibiotika, die aber teurer seien und in vielen ärmeren Ländern nicht zur Verfügung stünden.

Händewaschen, Desinfektionsgel, Impfungen

Nicht alle Infektionen gehen auf Bakterien zurück. Sie können auch von Viren (etwa Hepatitis B und C), Pilzen (etwa Nagelpilz) und Parasiten (beispielsweise Malaria) ausgelöst werden. Antibiotika helfen nur bei den bakteriellen Infektionen, etwa bakteriellen Lungenentzündungen, Blasenentzündungen oder eitrigen Wunden.

Patientinnen und Patienten könnten dazu beitragen, das Problem in den Griff zu bekommen, sagte Hutin. Zum einen, indem sie das Infektionsrisiko etwa durch häufiges Händewaschen, die Benutzung von Desinfektionsgel oder Impfungen verringern. Zum anderen beim Gang in die Praxis: »Wenn Sie mit Fieber zum Arzt gehen, sollten Sie nicht automatisch erwarten, ein Antibiotikum zu bekommen«, sagte Hutin. »Vertrauen Sie Ihrem Arzt. Wenn die Ursache eine Virusinfektion ist, ist es völlig richtig, dass Sie keine Antibiotika bekommen.«

Tim Eckmanns, Leiter des Fachgebiets Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin, sagte dem Science Media Center (SMC): »Vor 25 Jahren hatten wir die Vorstellung, die Antibiotikaresistenz ist dort hoch, wo viele Antibiotika gegeben werden, in den reichen Industrieländern. Aber dieser Bericht bestätigt, dass die Resistenzanteile in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen teilweise wesentlich höher liegen.«

Eckmanns warnt: »Viele moderne Eingriffe wie große Operationen, Organtransplantationen, Knochenmarktransplantationen sind nur möglich, weil Antibiotika prophylaktisch den Patienten schützen. Diese Eingriffe werden bei zunehmender Resistenz immer gefährlicher. Schwere Infektionen können nicht mehr behandelt werden. Es besteht die Gefahr, dass die Anzahl der Toten durch antibiotikaresistente Erreger auf fast zehn Millionen pro Jahr weltweit bis zum Jahr 2050 ansteigt.«

Die WHO verlangt dringend mehr Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika.

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