Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) steht in der Kritik, weil sie bei einem Fest ihres Kreisverbands in Koblenz auftreten will. Die Veranstaltung am Sonntag findet auf dem Gelände des IT-Unternehmens von Frank Gotthardt statt, der ebenfalls anwesend sein wird. Gotthardt ist einer der Hauptgeldgeber des rechtspopulistischen Onlineportals »Nius«.
Für Demokraten sei es irritierend, »dass die CDU Koblenz offensichtlich keine Berührungsängste nach Rechtsaußen hat«, sagte der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff dem SPIEGEL. »Dass die Bundestagspräsidentin daran teilnimmt, verwundert und lässt politisches Fingerspitzengefühl vermissen.« Er erwarte, so Roloff, dass Klöckner »auch mit Blick auf ihre Amtsführung in den nächsten drei Jahren keine Provokationen oder Grenzüberschreitungen von rechts duldet und sich als engagierte Kämpferin für Parlament und Demokratie zeigt«.
Auf dem »Politischen Sommerempfang«, wie die CDU das Event bewirbt, soll neben Klöckner auch Gotthardt sprechen. Der Unternehmer ist parteilos, war jedoch einige Zeit Landeschef des Wirtschaftsrates der CDU in Rheinland-Pfalz. In den vergangenen Jahren zeigte sich Gotthardt Medienberichten zufolge jedoch enttäuscht von der CDU, insbesondere beim Thema Migration. In »Nius« habe er investiert, da die deutsche Medienlandschaft »eine Ergänzung im konservativen Bereich« brauche, so erklärte es Gotthardt selbst. Geleitet wird »Nius« vom ehemaligen »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt.
»Unsensibel« und »alarmierend«
Zuletzt fiel die Plattform in der Debatte über die Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf auf. Laut einer Analyse des Thinkthanks polisphere veröffentlichte das Portal vor der angesetzten Richterwahl innerhalb von zehn Tagen mehr als 20 Artikel zu Brosius-Gersdorf. Dabei seien ihre »vermeintlich linksextremen Positionen im Detail analysiert und dramatisiert und Falschbehauptungen zu ihren Positionen in der Abtreibungsfrage verbreitet« worden.
Auch deshalb reagiert man in der SPD irritiert auf Klöckners geplanten Besuch. Er wundere sich, wie man so »unsensibel« sein könne, erklärte ein Mitglied der SPD-Führung dem SPIEGEL, »gerade nach den letzten Wochen und vor allem in Hinblick auf die Hetze, die ›Nius‹ verbreitet«. Dass dies in der CDU nicht reflektiert werde, sei »alarmierend«.
Auch der SPD-Abgeordnete Thorsten Rudolph aus Koblenz äußerte Kritik. Die Nähe zwischen der »gesamten CDU Rheinland-Pfalz und Frank Gotthardt« sei ein »massives Problem«, sagte Rudolph dem Portal The Pioneer. »Bis heute ist die Frage ungeklärt, inwieweit die CDU Rheinland-Pfalz und insbesondere ihr Spitzenpersonal in die rechtspopulistischen Netzwerke rund um Frank Gotthardt, Julian Reichelt und ›Nius‹ verstrickt sind.«
Das Bundestagspräsidium hingegen wies Kritik zurück, wie die »Welt« berichtet. Klöckner folge einer Einladung ihrer Partei und setze »die Praxis ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger« fort, bei Parteiveranstaltungen mitzuwirken. Eine inhaltliche Stellungnahme zu Gotthardts Engagement gab es nicht.