Die Nato geht bei den Drohnen über europäischen Städten von russischen Provokationen aus. Manchen in der CDU geht das bisherige Handeln der Bundesregierung aber offenbar nicht weit genug: Im »Handelsblatt« hat Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter gefordert, den Spannungsfall auszurufen.
Der sogenannte Spannungsfall müsste über eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag festgestellt werden. Er gilt als Vorstufe des Verteidigungsfalls; spezielle Sicherstellungsgesetze wie das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz könnten angewandt, die Bundeswehr verstärkt eingesetzt werden. In einer Kurzinformation des Bundestags von 2024 heißt es etwa, die Feststellung eines Spannungsfalls lasse die Wehrpflicht »ohne weiteres Zutun wiederaufleben«.
Laut Kiesewetter könnten damit »wesentliche Infrastrukturen durch die Bundeswehr geschützt und der Polizei an anderer Stelle mehr Optionen für den Schutz der Bevölkerung geboten werden«. Außerdem würden »Zuständigkeitsketten gestrafft und Optionen effizient genutzt«, wie Kiesewetter dem »Handelsblatt« sagte .
Der Schritt sei notwendig, damit Drohnen von der Bundeswehr »sofort abgewehrt werden können«, sagte Kiesewetter. Und zwar nicht nur über militärischen Liegenschaften, sondern auch im Bereich der kritischen Infrastruktur. Hybride Angriffe ließen sich nicht eindeutig nach äußerer und innerer Sicherheit trennen, sagte der Bundestagsabgeordnete weiter. Russland nutze die Drohnenüberflüge als Teil der Lagebildgewinnung, um »das Schlachtfeld vorzubereiten«. Auch wolle Russland mit den Drohnenüberflügen Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung erzeugen.
Mehrere Nato-Länder hatten in den vergangenen Wochen russische Drohnen oder Militärflugzeuge in ihren Lufträumen gemeldet, darunter Polen, Estland und Rumänien. Auch in Norwegen waren jüngst Drohnen unbekannter Herkunft gesichtet worden. In Dänemark führten mehrere Drohnenvorfälle zur vorübergehenden Schließung von Flughäfen. In der Nacht zum Freitag waren laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) »Drohnenschwärme über Schleswig-Holstein festgestellt« worden. Er kündigte in der »Rheinischen Post« an, im Luftsicherheitsgesetz festzuschreiben, dass die Bundeswehr der Polizei insbesondere bei Drohnenabwehreinsätzen Amtshilfe leisten darf.
Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Dobrindts Parteikollege, braucht es dafür nicht einmal die Bundeswehr. Er kündigte an, die Rechte der bayerischen Polizei deutlich zu erweitern. Mit einem eigenen bayerischen Drohnenabwehrgesetz wolle man der Polizei die landesrechtlichen Möglichkeiten geben, »sehr schnell und selbstständig abzuschießen«. Zudem solle es ein eigenes bayerisches Drohnenzentrum zur Entwicklung der nötigen Drohnen geben. Er wolle dabei aber in enger Abstimmung mit dem Bund vorgehen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenminister Johann Wadephul (CDU) riefen bei einem Treffen in Polen zu einer entschlossenen und zugleich besonnenen Reaktion auf. Die jüngsten Luftraumverletzungen in mehreren EU-Ländern hätten gezeigt, »dass Russland zunehmend zu einer Bedrohung für die Nato wird«, sagte Pistorius beim Warschauer Sicherheitsforum. Wadephul warnte vor Russlands »hybrider Aggression« und mahnte wie Pistorius dazu, einen »kühlen Kopf« zu bewahren.
Wie die Nato ihre Drohnenabwehr stärken könnte, lesen Sie hier .
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, im Spannungsfall könnte die Bundesregierung unter anderem das Katastrophenschutzgesetz anwenden. Tatsächlich handelt es sich um das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz. Zudem war in einer früheren Version von russischen Drohnen im norwegischen Luftraum die Rede. Tatsächlich ist die Herkunft besagter Drohnen bislang jedoch ungeklärt. Wir haben die Stellen korrigiert.