Wenige Minuten nach einem vollkommen überzeugenden Sieg gegen das hoch eingeschätzte Litauen stand Dennis Schröder sichtlich bedröppelt in der Mixed Zone. Der Kapitän der deutschen Basketballer redete erst ein wenig über das Spiel, dann sagte er: »Man kann mich beleidigen, aber Affengeräusche ist eine Sache, die ich nicht respektiere und nicht akzeptiere.« Der 31-Jährige beklagte rassistische Entgleisungen einiger litauischer Fans zur Pause. Er habe sie beim Gang in die Kabine wahrgenommen.
Nach dem dritten EM-Spiel teilte die deutsche Delegation mit, dass zwei Fans identifiziert und aus der Halle geworfen worden seien. Wohl nach Hinweisen von Mitgliedern des deutschen Trainerteams. »Rassismus gehört nicht zu diesem Sport«, sagte Schröder.
»Wir stehen voll hinter Dennis, können seine große Bestürzung verstehen und werden nachhaltig beim Veranstalter intervenieren, dass solche Vorkommnisse hier nicht mehr passieren«, teilte Ingo Weiss mit, der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes.
Der Vorfall überlagert ein Spiel, in dem Deutschlands Basketballer die beste Leistung des Turniers zeigten, 107:88 gewannen, sich vorzeitig für die K.-o.-Phase qualifizierten und bewiesen, dass sie auf jeden Fall zum aller engsten Favoritenkreis bei dieser EM gehören.
Und ein Spiel, in dem das Team zeigte, dass es absolut gefestigt ist und in sich zu ruhen scheint.
Das beste Beispiel ist Schröder selbst. »Ich habe mitbekommen, dass er sehr aufgeregt ist«, sagte Trainer Alan Ibrahimagic über seinen Spielmacher, nachdem dieser rassistisch beleidigt wurde. Doch die Leistung Schröders beeinträchtigte das nicht: Er kam auf 26 Punkte, war damit der beste deutsche Punktesammler, überzeugte auf ganzer Linie.
Und seine Kollegen taten es ihm gleich. Dass die zahlreichen litauischen Fans bei jeder deutschen Auszeit hinter der Bank der deutschen Spieler eine XXL-Flagge mit den litauischen Farben ausrollten? Störte das Team sichtbar nicht.
Dass jeder deutsche Spieler bei jeder Aktion ausgepfiffen und niedergebuht wurde? Am Spiel des Weltmeisters merkte man keine Veränderung.
»Es war schwierig bei dieser Atmosphäre«, sagte Superstar Franz Wagner. Von einem »Auswärtsspiel« sprach Schröder.
Weniger als drei Millionen Menschen wohnen in Litauen, aber Basketball ist dort eine Art zweite Religion. Basketballspiele sind Messen. Die Halle im finnischen Tampere war fest in litauischer Hand.
An diesem Tag eine wenig erfreuliche Messe für Litauen, wegen der Pleite, vor allem aber wegen der rassistischen Entgleisungen, für die die litauische Delegation laut deutschem Verband bereits um Entschuldigung gebeten habe.
Bevor Schröder von den Attacken gegen sich berichtete, zeigte das Team, dass es mehrere Schritte nach vorn gemacht hat.
In der Vorbereitung ruckelte das Spiel, auch weil viele Schlüsselspieler krank oder angeschlagen aussetzen mussten.
Dazu kam die vermeintliche Schwäche auf der Center-Position: Moritz Wagner, einer der verlässlichen großen Jungs der vergangenen Jahre, fehlt nach einem Kreuzbandriss. Isaiah Hartenstein, NBA-Champion mit Oklahoma City, sagte ebenfalls angeschlagen ab. Daniel Theis kam nach einer langen Verletzungspause zum Team und spielte in der Vorbereitung wenig, Johannes Voigtmann setzte im zweiten EM-Spiel gegen Schweden wegen leichter Knieprobleme aus.
Angesprochen auf die vermeintlichen Problempositionen, zeigte sich Superstar Franz Wagner schon während der Vorbereitung schmallippig. Er sehe das nicht so, sagte er.
Kein Problem gegen einen Topcenter
Gegen Montenegro und Schweden konnte das Team kaum beweisen, wie stark es ist, zu schwach besetzt waren die Gegner.
Gegen Litauen war das anders: Die Litauer bieten als Center Jonas Valančiūnas auf, einen 33 Jahre alten, 2,11 Meter großen Brecher, gestählt in 937 NBA-Spielen. Eine Bewährungsprobe, dem das Team standhielt. Meist kümmerte sich Theis um Valančiūnas, der am Ende nur auf 14 Punkte kam.
Und offensiv zeigten die Deutschen erneut eine Galavorstellung. Die einstudierten Spielzüge funktionierten, Dreierschütze Andi Obst (15 Punkte) wurde immer wieder gefunden, Daniel Theis traf jeden seiner Würfe und kam auf 23 Zähler. Superstar Wagner brillierte in gewohnter Weise, er beendete das Spiel mit 24 Punkten.
Die deutschen Basketballer setzten Litauen permanent unter Druck. »Es war einfach ein gutes Spiel«, sagte Wagner.
Ebenso wenig beeinträchtigte es die Leistung, und das geht schon fast unter, dass Deutschland erneut ohne Head Coach Álex Mumbrú auskommen musste. Der Spanier liegt weiter mit einer Erkrankung im Bauchraum im Krankenhaus. »Wir spielen zu 100 Prozent für ihn«, sagte Isaac Bonga.
Sein Stellvertreter Ibrahimagic löst seine Aufgabe angenehm unaufgeregt. Ex-Nationalspieler Per Günther sagte im MagentaSport-Podcast, das Team sei mittlerweile so erwachsen, dass es das wegstecken könne.
Man merkt, dass dieselben Spieler (mit wenigen Ausnahmen) den vierten Sommer in Folge zusammenspielen, es gibt wenig, was sie nicht erlebt haben. Einen dramatischen Sieg über Litauen bei der EM vor drei Jahren, dem WM-Erfolg 2023, das bittere Aus bei Olympia im Vorjahr.
Das deutsche Team kennt alle Situationen des Basketballs.
Und leider auch die Schattenseiten eines Sportlebens in den Hallen dieser Welt. »So was hat in dieser Atmosphäre überhaupt nichts verloren«, sagte Bonga über die rassistischen Beleidigungen gegen Schröder. »Im Sport und im Wettkampf haben solche Sachen nichts zu suchen. Wir hoffen, dass sich das legt und irgendwie gelöst werden kann. Wir können nur dagegen kämpfen«, sagte Trainer Ibrahimagic.
Litauische XXL-Flagge
Foto: Kimmo Brandt / EPAFranz Wagner zeigte eine Galavorstellung
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