Eine goldene Generation und ihr wichtigster Spieler

Dennis, der Große: Dennis Schröder machte lange kein gutes Spiel, in der ersten Halbzeit des Basketball-EM-Finales gegen die Türkei gelang ihm kaum etwas. Es gab nun zwei Möglichkeiten: Option eins: ein Dennis Schröder, der völlig überdreht, es erzwingen will und dem dann nichts gelingt. Option zwei: ein Dennis Schröder, der die Ruhe behält und der gereifte Anführer ist, den diese Mannschaft braucht. Schröder entschied sich für die zweite Variante, er leitete das Spiel an – und entschied es am Ende. Wie schon beim WM-Finale vor zwei Jahren war er da, als sein Team ihn am meisten brauchte. In den letzten zwei Minuten der Partie legte er einen Korbleger rein, dann traf er einen wichtigen und schwierigen Zweipunktwurf. Am Ende machte er zwei Freiwürfe.

»Für diese Momente lebt man, für diese Momente ackert man. Am Ende habe ich den Ball genommen und draufgeballert«, sagte Schröder nach dem Spiel. Er wurde am Ende zum MVP des Turniers gewählt, also zum wertvollsten Spieler. Er ist nun MVP der Weltmeisterschaft, MVP der Europameisterschaft. Mit 1,88 Metern ein Zwerg in der Welt der Basketballriesen. Nach dem WM-Titel folgt für das DBB-Team nun also der EM-Erfolg. Deutschland hat eine goldene Generation – und Schröder ist ihr wichtigster Spieler.

Ergebnis: Deutschland ist Europameister! In einem dramatischen und spannenden Finale in Riga gewann das DBB-Team 88:83 gegen die Türkei. Der Sieg brachte viele Helden hervor. Isaac Bonga war der deutsche Topscorer mit 20 Punkten, es folgten Franz Wagner (18) und Schröder (16). Bei den Türken überragte Alperen Şengün mit 28 Punkten. Cedi Osman kam auf 23. (Lesen Sie hier den Spielbericht. Hier können Sie das Drama im Minutenprotokoll nachverfolgen.)

Er hatte was vor: Ergin Ataman, der Trainer der Türken, ist sicherlich nicht mit einem zu geringen Selbstvertrauen ausgestattet. Er gewann als Trainer dreimal die Euroleague, vor dem Finale sagte er: »Wenn ich im Finale bin, gewinne ich.« Er hat seinem Team eine Wagenburgmentalität eingeimpft, begibt sich immer wieder in Kleinkriege mit dem Weltverband und den Schiedsrichtern, wittert überall Benachteiligung seines Teams. »Wir gegen die«, das ist sein Motto.

Erstes Viertel: Und Ataman hatte seine Mannschaft perfekt eingestellt. Die Türken waren hellwach, Deutschland erwischte einen Horrorstart. 2:13 lag das Team hinten, das Finale drohte zum Fiasko zu werden. Aber dann berappelte sich Deutschland. Wagner packte die Mannschaft auf seine Schultern, immer wieder war es dann auch Bonga, der mit seiner bissigen Verteidigung oder spektakulären Offensivaktionen für Jubel auf der deutschen Bank sorgte. Ataman wurde sichtlich nervöser. Am Ende des ersten Viertels lag Deutschland 24:22 vorn.

Zweites Viertel: Beide Teams legten ein atemberaubendes Tempo an den Tag, sie lieferten sich ein Spiel auf höchstem Niveau. Und das trotz des Drucks bei einem EM-Finale. Bei den Türken wütete Şengün, der Superstar machte fast alles und alles richtig. Und weil auch Osman seine Würfe traf, waren die Türken den Deutschen eigentlich immer einen Schritt voraus. Bei Schröder lief noch kaum etwas, er wurde stark verteidigt. Dem deutschen Team gelangen nur 16 Punkte in diesem Viertel, wenig für diese Angriffsmaschine. Aber das Team blieb in Reichweite, und das lag an Franz Wagner. Dennoch: Deutschland lag 40:46 hinten.

Star vs. Star: Es heißt ja immer, große Spiele werden von großen Spielern entschieden. An diesem Abend schien es zur Pause auf ein Duell der jungen NBA-Stars Şengün und Wagner hinauszulaufen. Şengün war nicht zu stoppen, Wagner kam auch immer wieder durch  und blockte dazu noch zwei Versuche der Türken. Beide zeigten, warum sie die Gegenwart und Zukunft ihrer National- und NBA-Teams sind.

Hoher Besuch: Zu großen Spielen kommt auch immer hoher Besuch: Aus Deutschland war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angereist, er saß in der ersten Reihe, er war schon zur Pause heiser. Dabei wurde es doch danach erst so richtig dramatisch. Nicht anwesend war übrigens der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdoğan, trotz anderslautender Berichte im Vorfeld.

Drittes Viertel: Das Spiel ließ einem auch im dritten Viertel keine Zeit zum Durchschnaufen. Schröder war nun viel präsenter. »Das war klar, dass er so eine erste Halbzeit nicht auf sich sitzen lässt«, sagte Trainer Alan Ibrahimagic nach dem Spiel. Er traf nun Dreier, ging zum Korb. Auch Isaac Bonga und der so unbekümmerte Tristan da Silva lieferten. Aber immer wieder hatten die Türken eine Antwort. Vor allem Şengün und Osman sorgten dafür, dass das Spiel spannend blieb. Deutschland lag 66:67 hinten.

Viertes Viertel: Das Schlussviertel hatte alles. Spektakuläre Würfe, grobe Fehler, Blocks und Dunks. Die Türkei zog auf fünf Punkte davon, dann musste auch noch Johannes Thiemann raus, nachdem er einen Schlag abbekommen hatte. Es lief gegen Deutschland – und doch kämpfte sich das Team zurück. Andi Obst kam rein, traf einen Dreipunktwurf, Deutschland war wieder im Spiel. Nach einem Dreier von Bonga führte der Weltmeister, aber die Türkei konterte. Dann wurde es wild: Daniel Theis traf einen Dreier, er hatte vorher wenig Glück, es waren seine ersten Punkte im Team. Ein Wurf von Shane Larkin tanzte am Ring, fiel nicht rein, Schröder machte einen wichtigen Korbleger. Kurz danach traf Schröder erneut, auch die letzten beiden Punkte machte er von der Freiwurflinie. Er entschied dieses Drama von Riga, dieses Auswärtsspiel in einer vollen Halle, in der die türkischen Fans klar in der Überzahl waren.

Der zweite MVP: Schröder war der wertvollste Spieler der EM, Isaac Bonga der wertvollste Spieler des Spiels. Es war atemberaubend, was er gezeigt hat. Er dunkte, er verteidigte knallhart. Und das gegen jeden türkischen Spieler. Und Bonga blockte, traf wichtige Dreier. Er hatte es einige Jahre in der NBA versucht, ging dann aber zurück nach Europa. Schwer vorstellbar, dass nach dieser EM nicht die Angebote aus Übersee kommen.

So geht’s weiter: Neun Spiele, neun Siege. Die deutsche EM-Reise endet mit dem großen Triumph. Franz Wagner hatte das Netz um den Hals baumeln, er trug das Trikot seines verletzten Bruders Moritz. »Jetzt wird gefeiert«, sagte er. Am Montag fliegt das Team nach Frankfurt, nach einer wohl kurzen Nacht. Der Sieg wird begossen werden, aber auch Schröders Geburtstag. Er feiert am Montag seinen 32. Bei der Pressekonferenz überraschten ihn seine Teamkollegen, schütteten ihm Wasser über, sangen Happy Birthday. Schröder sprang auf, als seine Teamkollegen ihn übergossen, er freute sich. Nur sein Sohn, der während der Pressekonferenz auf seinem Schoß saß, fand es nicht ganz so lustig. »Ab zum Duschen«, forderte er seinen Vater auf. Auch das wird Schröder aber sicher noch hinbekommen.

Türkei-Star Şengün: Kaum zu stoppen

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Bundespräsident Steinmeier, Europameister Schröder

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Basketballer Bonga beim Dunk: MVP des Spiels

Foto: Yiannis Kourtoglou / REUTERS

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