Welchen Preis muss Merz für seinen Grünen-Spott zahlen?

1. Ein Kanzler, der seine Linie nicht halten kann

Bei der Generaldebatte hat sich Friedrich »CDU pur« Merz heute zunächst versöhnlich gegeben, um dann doch auf Attacke zu schalten, wie mein Kollege Konstantin von Hammerstein aus dem Bundestag berichtet. Erst pries der Kanzler den parlamentarischen Kompromiss: Keine Partei habe bei den Bundestagswahlen die absolute Mehrheit geholt, sagt er. Deshalb könne nun auch keine Partei ihre Vorstellungen eins zu eins umsetzen.

Doch nach einer guten Viertelstunde schwenkt Merz um. »Schließlich ist er ein exzellenter Debattenredner«, berichtet Konstantin. »Und zu einer guten Debatte gehört eben auch, den Gegner zu attackieren.« Der Kanzler hätte also die vor Selbstbewusstsein strotzende AfD angreifen können, aber Merz machte etwas anderes: Er teilt gegen die Grünen aus. »Auf deren Stimmen er am nächsten Tag bei der Wahl der Verfassungsrichter angewiesen sein wird«, wie Konstantin analysiert. »Merz lästert über das schlechte Wahlergebnis der Grünen, er verspottet die Opposition. Das zündet in den eigenen Reihen, aber es zündet eben auch in den Reihen der Grünen.« Merz werde für diesen Auftritt einen Preis bezahlen müssen.

  • Das Minutenprotokoll samt Blitzanalyse finden Sie hier: Das sind die vier Lehren aus der Generaldebatte im Bundestag

2. Quadraturmeter des Kreises

Der Markt wäre kein guter DJ. Er regelt zwar viel, aber lässt Angebot und Nachfrage nicht tanzen, sondern allenfalls pogen. Besonders der Wohnungsmarkt treibt zum Headbangen: Bei jedem Blick in die Anzeigenportale knallen Mieterköpfe auf Tischplatten. Jetzt hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigt, wie hoch Untermieten ausfallen dürfen.

Anlass ist der Fall von Abdur-Rahman El-Khadra. Ihm hatte seine Vermieterin gekündigt, nachdem er seine Zweizimmerwohnung untervermietet hatte. Er zahlte 460 Euro für 65 Quadratmeter, verlangte aber 962 Euro (hier mehr). Jetzt wehrt er sich gegen die Kündigung und den Vorwurf, er habe sich mit einem überhöhten Zuschlag bereichert. »Es war nicht meine Absicht, Geld damit zu machen«, zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Nur gebe es »keine vernünftigen Berechnungsmodelle, wie Mobiliar und Hausrat in den Mietpreis mit eingerechnet werden«. Der BGH entschied heute noch nicht, machte El-Khadra aber wenig Hoffnung. Sinn und Zweck von Untervermietungen seien, dass der Mieter die Wohnung halten könne, während er beispielsweise im Ausland sei. Viel spreche dafür, dass mit der Untermiete keine Gewinne gemacht werden sollen.

  • Hier mehr Hintergründe von einer Mietrechtsexpertin: »Untermieter dürfen nicht zur Einnahmequelle werden« 

3. Ricarda Langzeitstudentin

Wo wir gerade bei Mieten sind: Die Wohnungsnot und immer höhere Mieten machen auch den Studentinnen und Studenten zu schaffen – erstmals überschreiten ihre Wohnkosten im Durchschnitt die symbolische 500-Euro-Marke, wie aus einer Auswertung des Moses Mendelssohn Instituts hervorgeht. Zu Beginn des Wintersemesters lagen ihre Mieten durchschnittlich bei 505 Euro monatlich. Natürlich unterscheiden sich Städte und Regionen: In Bayern liegen die Studi-Wohnkosten im Schnitt bei 603 Euro, in Hamburg bei 620 Euro und in Berlin bei 650 Euro; in Sachsen-Anhalt nur bei 350 Euro, in Thüringen bei 362 Euro und in Sachsen bei 377 Euro.

Eine andere Uni-Meldung schafft es heute in die Schlagzeilen und Insta-Feeds: Die frühere Grünenchefin Ricarda Lang hat nach fast 13 Jahren ihren Abschluss gemacht, einen Bachelor of Laws. (Lesen Sie hier mehr.) Warum das eine Nachricht ist? Langzeitstudentin Lang erntete immer wieder Spott – etwa von Leuten wie Markus Söder (»Was unterscheidet meinen Hund Molly von Ricarda Lang? Mein Hund hat eine abgeschlossene Ausbildung.«). Man kennt diesen Was-hat-die-schon-geleistet-Sound, dabei wäre es doch angebracht, jede und jeden erst mal zu feiern für politisches Engagement. Lang kontert Söder mit einem lapidaren »Get new Jokes!« und will laut »Bild« noch einen Master an der Fernuni Hagen draufsatteln.

Für die halbe Million Studienanfänger bietet ein Team um Kollegin Helene Flachsenberg aus unserem Start-Ressort den neuen Newsletter »Semester Eins« an: »Wir helfen bei Fragen, wie man eine Hausarbeit schreibt und wann man mit dem Lernen anfangen sollte«, sagt Helene. »Wir führen Schritt für Schritt durch die ersten Monate des Studiums.«

  • Hier können Sie ihn kostenlos bestellen: Alles, was Erstis wissen müssen

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Putin lässt Mehrwertsteuer erhöhen, um den Krieg zu finanzieren: Die russische Wirtschaft kommt der Krieg gegen die Ukraine offensichtlich teurer zu stehen, als Moskau das glauben machen will. Jetzt will sich die Regierung bei den Verbrauchern bedienen.

  • Mutmaßlicher Drohnenangriff auf Gaza-Hilfsflotte – Italien schickt Fregatte: Mehrere Boote einer privaten Hilfsflotte für den Gazastreifen sollen auf offenem Meer angegriffen worden sein. Nun reagiert Italien: mit deutlichen Worten und einem Schiff der Marine.

  • Britische Ermittler nehmen nach Hackerangriff auf Flughafensysteme Verdächtigen fest: Ein Hackerangriff hatte an mehreren Flughäfen in Europa für massive Störungen gesorgt, auch am BER. Nun meldet die britische Polizei die Festnahme eines Mannes.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Kimmel back on air

»Diese Show ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass wir in einem Land leben, das es uns erlaubt, eine Show wie diese zu haben«, sagte Late-Night-Talker Jimmy Kimmel, der wieder auf Sendung gegangen ist, sechs Tage nach dem vorübergehenden Aus seiner Show. Mein Kollege Cornelius Dieckmann hat sich das Comeback angeschaut: »Der Host wirkt in seinem Einstiegsmonolog zunächst wie der Alte, jovial und lässig.« Aber Kimmel sei auch ernst geworden und habe zum politischen Dialog aufgerufen. »Bei Weitem nicht alle Amerikaner konnten Kimmel am Dienstag sehen. Nexstar und Sinclair, zwei Lokalsendernetzwerke, wollen seine Show auch künftig nicht ausstrahlen. In der Hauptstadt Washington etwa bekamen Zuschauer während der Sendezeit Lokalnachrichten und den Wetterbericht gezeigt.«

  • Die ganze Geschichte hier: Jimmy Kimmel kämpft mit den Tränen – und weiter gegen Trump 

  • Und ein Video hier: So ging Jimmy Kimmel wieder auf Sendung

Was heute weniger wichtig ist

Wer immer rebend sich bemüht: Modeschöpfer Harald Glööckler, 60, der jahrelang an der Deutschen Weinstraße in der Pfalz lebte, hält die Teilnahme von Männern bei der Wahl der Deutschen Weinmajestät für überfällig. Am Freitag steht erstmals seit Beginn des Wettbewerbs 1949 ein Mann im Finale. »Für diese Gleichberechtigung ist es höchste Zeit«, sagte der Designer. »Wäre es umgekehrt gewesen und es hätte immer nur einen Weinkönig gegeben und Frauen wären nicht zugelassen, hätte es längst einen Aufschrei gegeben.«

Mini-Hohl

Aus dem »Berchtesgadener Anzeiger«: »Jung gestorben ist auch Pier Giorgio Frassati, der von 1091 bis 1925 lebte.«

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Könnten Sie einer Empfehlung meines Kollegen Christian Buß folgen und »Spiel mir das Lied vom Tod« gucken, auch wenn es dafür eigentlich keiner Empfehlung bedarf.

In dem Western-Meilenstein zeigte Claudia Cardinale einst, »wie eine Witwe im gesetzlosen Frontierland mittels sexueller Verbindungen ihr Überleben sichert«, schreibt Christian in seinem Nachruf auf die Schauspielerin. »Möglicherweise ist es angemessen zu sagen, dass Cardinale trotz aller Fremdbestimmtheit als Schauspielerin eine Art Autorinnenschaft über ihren Körper hatte.« In ihren Filmen erzählte sie von der Gewalt und der Ökonomie, denen der weibliche Körper ausgesetzt ist. »Die Geschichte von Cardinale ist eine des Willens, der Würde und des Widerstands.« (Hier der ganze Nachruf. )

Ich wünsche Ihnen einen unterhaltsamen Abend. Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

Merz im Bundestag

Foto: Clemens Bilan / EPA

Zur Untermiete im Symbolbildkeller

Foto: Fernando Gutierrez-Juarez / dpa

Ricarda Lang: Die Grünenpolitikerin will jetzt wohl noch einen Masterstudiengang absolvieren

Foto: Manfred Behrens / Future Image / IMAGO
Foto: Randy Holmes / Disney / Getty Images
Foto: Jens Kalaene / dpa

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Klaus Stuttmann

Claudia Cardinale in »Spiel mir das Lied vom Tod«: Erotik und Gewalt

Foto:

Sunset Boulevard / Corbis / Getty Images

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