Unionspolitiker in Brüssel fordern Sanktionen gegen Israel

In Brüssel wächst der Druck auf die Bundesregierung auch aus den eigenen Reihen, Sanktionen gegen Israels Regierung unter Premier Benjamin Netanyahu zuzustimmen. »Netanyahus Politik der verbrannten Erde in Gaza und die exzessive Siedlungspolitik im Westjordanland müssen substanzielle Konsequenzen haben«, sagt Michael Gahler (CDU), außenpolitischer Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, dem SPIEGEL. Er unterstütze »schweren Herzens« die kürzlich von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Aussetzung von Handelsaspekten im EU-Assoziierungsabkommen mit Israel.

Gahler hatte zuvor bereits Strafmaßnahmen gegen die rechtsextremen israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir befürwortet. Angesichts des Verhaltens der israelischen Regierung hat er nun aber seine Position verschärft. »Sanktionen gegen einzelne radikale Minister reichen nicht mehr«, so Gahler. Israels Regierung gehe es offensichtlich nicht mehr nur darum, die Hamas zu besiegen. »Sie will Gaza unbewohnbar machen und den humanitären Druck so weit steigern, dass am Ende doch noch irgendwer diese Menschen aufnimmt.«

Gahler stellt sich damit gegen die Linie von CDU-Kanzler Friedrich Merz, der EU-Sanktionen gegen Israel in Brüssel bisher blockieren lässt. Das Gleiche gilt für Manfred Weber (CSU), Präsident und Fraktionschef der EVP. Mitte September stimmte er für eine Resolution des Europaparlaments, die Handelssanktionen forderte. Anschließend warnte er davor, eine »rein interne deutsche Debatte« über Israel und Gaza zu führen. »Wir brauchen eine gemeinsame europäische Position, um im Nahen Osten und in der Welt gehört zu werden«, sagte Weber dem SPIEGEL.

Sanktionen gegen einzelne Personen müssten von den EU-Staaten einstimmig beschlossen werden, für die Teilaussetzung der Handelsaspekte des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel genügt dagegen die Zustimmung von 15 der 27 Mitgliedsländer mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Neben Deutschland gelten Italien, Ungarn, Tschechien, Österreich und die Slowakei als skeptisch. Ein Ja aus Deutschland würde damit für eine qualifizierte Mehrheit ausreichen.

Allerdings gibt es derzeit keine Anzeichen, dass Merz seinen Widerstand aufgibt. »Die Blockadehaltung der Bundesregierung und des Kanzlers stößt in Brüssel auf Unverständnis und Verärgerung«, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Hannah Neumann. Dabei sei die Israelpolitik Berlins »spektakulär gescheitert«: »Die Regierung Netanyahu eskaliert den Krieg immer weiter, sie lehnt die Zweistaatenlösung offen ab, und die Menschen in Gaza hungern immer noch.«

Das Verhalten der Bundesregierung verursache zudem in der EU »Kollateralschäden«, warnt Neumann. »Merz kann nicht andere Länder als Blockierer an den Pranger stellen und dann seinerseits bei den Sanktionen gegen Mitglieder der israelischen Regierung blockieren – zumal die Vorschläge von seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen kommen.«

Hinzu kommt, dass Deutschland auch schlicht überstimmt werden könnte. Denn die Mehrheit für die Streichung der Handelsvorteile Israels wäre auch schon bei einem Umschwenken Italiens erreicht – was nicht mehr ausgeschlossen erscheint. Strafmaßnahmen gegen einzelne israelische Minister und gewalttätige Siedler befürwortet die Regierung in Rom bereits. Auch für Gespräche über »wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen« sei man, erklärte Außenminister Antonio Tajani kürzlich – »besonders mit Deutschland«.

Zugleich wächst innenpolitisch der Druck auf die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Erst am Montag kam es in Italien zu verbreiteten Streiks als Zeichen der Solidarität mit der Bevölkerung im Gazastreifen. Sollte Italien umschwenken und Handelssanktionen befürworten, wäre Deutschland der letzte große EU-Staat, der die Maßnahmen blockiert – und fände sich in einem Lager mit Rechtspopulisten wie dem Ungarn Viktor Orbán und dem Slowaken Robert Fico wieder.

Auch in der Frage der Anerkennung des Palästinenserstaats ist die Bundesregierung mit ihrer Ablehnung inzwischen in der Minderheit innerhalb der EU. Die meisten Mitgliedsländer sind diesen Schritt mittlerweile gegangen, angeführt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

EVP-Chef Weber: »Wir brauchen eine gemeinsame europäische Position«

Foto: Frederick Florin / AFP

Bewohner von Gaza-Stadt mit im Krieg getöteten Kindern

Foto: Ebrahim Hajjaj / REUTERS

Grünenpolitikerin Neumann: Israelpolitik Berlins »spektakulär gescheitert«

Foto: Philippe BUISSIN / European Union

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