»In den letzten Monaten war ich am Limit«

SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil hat offen über die hohen Belastungen seines Amtsjahres und über persönliche Momente der Rührung gesprochen. »In den letzten Monaten gab es auch mal Momente, in denen ich am Limit war«, sagte er dem »Tages« in einem Interview . »Es war ein brutales Jahr. Der Bruch der Ampel, vorgezogene Neuwahlen, dann ein katastrophales Ergebnis für die SPD. Koalitionsverhandlungen, das Mitgliedervotum und dann der SPD-Bundesparteitag.«

Klingbeil verwies auch auf seine Krankheitsgeschichte. 2014 erkrankte er an Zungenkrebs und überstand die Krankheit. Diese Erinnerung helfe ihm heute, »ruhig und gelassen zu bleiben«. Alles, was er heute erlebe, empfinde er als »Privileg und eine Art Verlängerung«. Gleichzeitig brauche er Sport, Auszeiten, Musik und Familie, um den politischen Druck auszuhalten.

»Ich finde nicht schlimm, wenn Männer sensibel sind«

Der Vizekanzler sprach zudem über den schnellen Takt der Politik. Als er in die Politik ging, habe das Land monatelang über die Praxisgebühr gestritten. Heute wechselten die Themen in rasendem Tempo: »Du hast an einem Tag Trump und Putin, dann zieht Frau Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zur Verfassungsrichterin zurück und der Kanzler entscheidet, keine Waffen an Israel zu liefern. Das ist eine enorme Taktung.«

Auch zu seinen Emotionen äußerte sich der SPD-Politiker. »Ich finde nicht schlimm, wenn Männer sensibel sind«, sagte er. Ihm sei es zuletzt in Kyjiw passiert, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Gemeinsam mit Bürgermeister Vitali Klitschko habe er vor einem zerbombten Haus gestanden. »Als er mir erzählte, dass hier eine Familie von russischen Raketen getötet wurde, die gerade erst aus der Ostukraine nach Kyjiw geflohen war, schossen mir die Tränen in die Augen.«

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte Klingbeil nach Angaben von Unionsabgeordneten in einer Fraktionssitzung als sensibel bezeichnet. Der SPD-Politiker machte nun deutlich, dass er das nicht als Schwäche begreift, sondern als Teil seiner Haltung.

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