1. Reisezeit ist Streikzeit
Bald beginnen die Herbstferien in den ersten Bundesländern. Und Ferienzeit ist ja gern auch mal Streikzeit beim Flughafenpersonal. Dann lohnt es sich aus Sicht der Streikenden besonders, weil der Konzern sich mit wütenden Urlauberinnen und Urlaubern rumschlagen muss.
Mal ist es das Bodenpersonal, mal sind es die Flugbegleiter. Heute haben die Mitglieder der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) für die Möglichkeit von Arbeitskampfmaßnahmen bei Lufthansa und Lufthansa Cargo gestimmt. Soll heißen: Schon in den nächsten Tagen könnte es zu Warnstreiks kommen. Entscheidend sei jetzt die Reaktion der Lufthansa, schreibt mein Kollege Martin U. Müller aus der Wirtschaftsredaktion. (Hier mehr dazu. )
Vordergründig geht es bei den Streiks um die Höhe der Altersversorgung. Dahinter schwelt laut Martin aber ein anderer, tieferer Konflikt. Die Belegschaft ist offenbar unzufrieden, weil Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Konzern tiefgreifend umbauen will: Die Kurzstreckentochter Lufthansa Cityline soll abgeschafft werden. Das Personal der Touristik-Billigtochter Discover Airlines arbeitet trotz Streiks in der Vergangenheit ohne VC-Tarifvertrag. Und erst am Montag verkündete der Konzern, in den kommenden Jahren rund 4000 Stellen in der Verwaltung zu streichen.
Ich fliege selbst diesen Donnerstag in den Urlaub. Ich weiß, es ist egoistisch, aber: Liebe Pilotinnen und Piloten, lasst euch doch noch ein bisschen länger Zeit für die Verhandlungen.
Lesen Sie hier die ganze Analyse: Warum die Piloten bei Lufthansa wirklich streiken wollen
2. Die Regierung arbeitet am Teamgeist
Heute und morgen tagt das Bundeskabinett in der Villa Borsig, einem herrschaftlichen Anwesen im grünen Nordwesten Berlins. Die Runde berät darüber, wie Unternehmer, aber auch Bürgerinnen und Bürger von Bürokratie entlastet werden können; morgen soll es dazu Beschlüsse mit rund 80 Einzelmaßnahmen geben. Merz gab zum Auftakt heute Vormittag ein kurzes Statement ab, er sagte: »Wir setzen alles daran, dass die deutsche Wirtschaft wieder Tritt fasst und dass sie wieder auf Wachstumskurs kommt.« Dann wollte sich die Gruppe zurückziehen. Doch schon wenig später wurde das Treffen unterbrochen, weil Verkehrsminister Patrick Schnieder am Sitzungstisch einen Kreislaufzusammenbruch hatte. Zur Sicherheit wurde er in eine Klinik gebracht; es gehe ihm aber gut, teilte der Regierungssprecher mit. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer verließ die Klausurtagung ebenfalls kurzfristig wegen eines Trauerfalls.
Meine Kollegin Marina Kormbaki aus dem Hauptstadtbüro ist vor Ort. Ihr zufolge soll es über das offizielle Programm hinaus vor allem darum gehen, dass sich die Ministerinnen und Minister der immer noch neuen Koalition besser kennenlernen und dass der ein oder andere Konflikt ausgeräumt wird. »Teambuilding«, heißt es aus Regierungskreisen, solle nicht zu kurz kommen.
Allerdings gibt es nicht genug Betten, weshalb alle irgendwann heute Abend nach Hause und morgen früh um 7.30 Uhr wieder antreten müssen. Ob das der Stimmung zuträglich ist? Kanzler Friedrich Merz ist das vielleicht nicht so wichtig. Gerade erst hatte er erzählt, er selbst trinke »praktisch keinen Alkohol mehr«.
Lesen Sie hier mehr: Verkehrsminister Schnieder ins Krankenhaus gebracht
3. Was Tony Blair mit Trumps Gazaplan zu tun hat
Während der Gaza-Friedensplan von Donald Trump international auf breite Zustimmung stößt, äußert sich der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich kritisch. Im Onlinedienst X nannte er den Plan einen »eklatanten diplomatischen Fehlschlag«. Ob das Konsequenzen hat oder da nur jemand seinen Unmut rauslassen will, ist ungewiss.
Trumps Plan – dem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bereits zugestimmt hat – umfasst 20 Punkte, unter anderem soll ein sogenannter Friedensrat zur Überwachung einer künftigen Verwaltung gegründet werden. Vorsitzender dieses Rats wäre Trump selbst, außerdem soll der ehemalige britische Premierminister Tony Blair dem Rat angehören. Blair selbst sagte, es sei »die beste Chance, zwei Jahre Krieg, Elend und Leid zu beenden.«
Eine gute Wahl? Mein Kollege Christoph Giesen schreibt, Blair sei »Kriegstreiber und Friedensdiplomat in einer Person«; er sei 2003 in den Irakkrieg gezogen und gelte gleichzeitig als Architekt des Karfreitagsabkommens, das den Nordirlandkonflikt beendete. Vor allem aber hat Blair nach seiner politischen Karriere das Tony Blair Institute for Global Change (TBI) gegründet, einen Thinktank mit mehr als 900 Mitarbeitern, der in mehr als 40 Ländern aktiv ist.
Gut und schön, wenn sich Netanyahu, Trump und Blair einig sind. Hamas-Vertreter haben sich bislang noch nicht konkret zu dem Plan geäußert.
Lesen Sie die ganze Geschichte: Vom Kriegspremier zum Gaza-Schlichter?
Was heute sonst noch wichtig ist
Geld für Sport und Freizeit erreicht nur Bruchteil der armen Familien: Kicken im Sportverein oder Flöte spielen in der Musikschule: Armen Kindern stehen dafür 15 Euro staatliche Hilfe zu. Doch vielerorts scheitern die Familien offenbar an bürokratischen Anträgen, besonders in zwei Bundesländern.
33.000 Studierende warten auf einen Wohnheimplatz: Zum Beginn des Wintersemesters sind Tausende auf der Suche nach einem Wohnheimplatz. Das Studierendenwerk sieht darin eine »neue Form der sozialen Auslese« und fordert von der Regierung eine Bafög-Reform.
Erwärmung der Weltmeere sorgt für Ausbreitung invasiver Arten: Zwischen Mai 2022 und Anfang 2023 herrschte im Mittelmeer die längste jemals gemessene Hitzewelle. Gut für invasive Arten wie die Blaukrabbe und den Bart-Feuerborstenwurm, schlecht für die Artenvielfalt und die Fischerei.
Trump und Hegseth verordnen US-Militär ideologische Kehrtwende: US-Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth haben Generäle und Admirale des Landes auf einen neuen Kriegskurs eingeschworen. Kritische Militärführer sollten zurücktreten.
Die ungewöhnlichste Geschichte heute: Ein Känguru auf Abwegen
Gestern wurde mein Kollege Alexander Smoltczyk losgeschickt, um einem entlaufenen Känguru hinterherzurecherchieren, das am Sonntag in Berlin gesichtet worden war – nicht ahnend, dass es sich bei dem Besitzer ausgerechnet um Jakob Augstein handelt, Erbe des SPIEGEL-Gründers Rudolf Augstein und Eigentümer der linken Wochenzeitung »Der Freitag«.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Das verlegte Känguru
Was heute weniger wichtig ist
Kein Promibonus: Der britische Sänger Cat Stevens alias Yusuf Islam, 77, muss seine geplante Buchtour in Nordamerika aufgrund von Visaproblemen absagen. Er sei deshalb wirklich enttäuscht, schreibt er bei Instagram. Seine Autobiografie, die nächste Woche erscheint, werde von den Reiseproblemen jedenfalls nicht beeinträchtigt, schreibt Stevens weiter: »Bücher brauchen keine Visa!«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Könnten Sie mal wieder ins Kino gehen. Michael Endes »Momo«, der deutsche Kinder- und Jugendbuchklassiker, ist neu verfilmt und ins Jetzt geholt worden. Das Waisenmädchen hat jetzt rote, längere Locken, und überall wird gevapt. Meine Kollegin Anna Weiß hat erst mal Sympathie für die Entscheidung des Regisseurs Christian Ditter, die Geschichte an die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen heutzutage anzupassen. »Leider verliert sich der Film an einigen Stellen«, schreibt Anna. »Dafür, dass Momo Leute öffnen kann, wird erstaunlich wenig Tiefgründiges besprochen.«
Lesen Sie hier die ganze Filmkritik: Momo kämpft jetzt gegen die Smart-Watch
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Laura Backes, Autorin
Pilot am Flughafen München: Wuchtige Forderung
Foto:Alexander Hassenstein / Getty Images
Verkehrsminister Patrick Schnieder
Foto:IPON / IMAGO
Ex-Premier Blair (im Juli in London): Seit seinem Rücktritt 2007 als Premier hat er nie aufgehört, Weltpolitik zu betreiben
Foto:Leon Neal / Getty Images
Känguru-Gehege in Kladow: Nicht alle Tiere sind entlaufen
Foto: Victor Heekeren / DER SPIEGELCat Stevens alias Yusuf Islam bei einem Auftritt in Glastonbury 2023
Foto: Julie Edwards / Avalon / IMAGOAus dem »Höchster Kreisblatt«
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Thomas Plaßmann
Szene aus »Momo«: Kampf gegen graue Agenten
Foto:Ivan Sardi / Rat Pack Filmproduktion / Constantin Film