1. Ein Friedensvertrag zum Feiertag?
Heute Nacht verkündeten die Nachrichtenagenturen, die USA und die Ukraine hätten sich auf einen überarbeiteten Friedensplan geeinigt. Über die Details wurde zwar Stillschweigen bewahrt, doch im Laufe des Tages haben sich nach und nach die an den Verhandlungen in Genf beteiligten Akteure geäußert: nicht euphorisch, aber immerhin vorsichtig optimistisch. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte: »Bei den Schritten, die wir mit der US-Seite vereinbart haben, ist es uns gelungen, äußerst sensible Punkte einzubringen«. Das seien »wichtige Schritte, aber für einen echten Frieden braucht es mehr, viel mehr.«
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) sagte, es sei »ein entscheidender Erfolg«, dass alle Fragen, »die Europa betreffen und auch die Nato betreffen«, aus dem von den USA vorgelegten Plan entfernt worden seien.
US-Außenminister Marco Rubio sprach von »enormen Fortschritten«. Die noch offenen Punkte seien »nicht unüberwindbar«, sagte er – ohne Details zu den strittigen Themen zu nennen. Allerdings sind in Washington nicht alle glücklich über den Stand der Dinge (hier mehr ).
Nach allem, was man hört, würde US-Präsident Donald Trump gern zum Feiertag Thanksgiving in ein paar Tagen das Ende des Krieges zwischen Russland und der Ukraine verkünden. Dafür würde Trump im Zweifel auch die russischen Positionen bevorzugen, warnt mein Kollege Roland Nelles aus dem Hauptstadtbüro: »Das ist keine Realpolitik, sondern Unfug«, schreibt er. Europa sei einflussreicher, als es manchmal glaubt. Und müsse eigene, bessere Gegenvorschläge einbringen.
Hier der ganze Kommentar: Jetzt soll Europa für Trumps Probleme büßen
2. Weg mit der Brandmauer?
Der Verband »Die Familienunternehmer« hat seinen Umgang mit der in großen Teilen rechtsextremen AfD gelockert. Der Lobbyverband vertritt rund 6500 Unternehmen aus ganz Deutschland, kleine Betriebe genauso wie die Weltkonzerne BMW und Merck, die ebenfalls in Familienhand sind.
Das »Kontaktverbot« zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei mit dem jüngsten parlamentarischen Abend am 8. Oktober aufgehoben worden, sagte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann dem »Handelsblatt«. Dort war offenbar auch ein AfD-Vertreter eingeladen gewesen. Statt Brandmauer wolle man zeigen, dass AfD-Politiker häufig »inhaltlich blank oder widersprüchlich« seien, so Ostermann.
Mein Kollege Tim Bartz aus dem Wirtschaftsressort findet Ostermanns Argumentation »verstörend«. (Hier mehr dazu.) Er merkt in einem Leitartikel an, dass ihr Verband die Interessen privater Unternehmen vertrete und nicht dafür verantwortlich sei, die Stimmen der AfD zu halbieren. Das sei Sache der Politik. »Und sie muss den Rechtsextremen auch keine Bühne bieten. Jede Veranstaltung kommt ohne AfD-Teilnehmer bestens aus, denn wie sagt Ostermann selbst? ›Wer sich intensiver mit den AfD-Programmen beschäftigt hat, wird nachvollziehen, dass wir trotz Gesprächen eine AfD auf keinen Fall als Koalitionspartner in einer Regierung sehen wollen.‹«
Hier der ganze Leitartikel: Verband der Familienunternehmer gibt offenbar Brandmauer zur AfD auf
3. Schützt die Haie!
Dass Haie als irre gefährlich wahrgenommen werden, liegt an den regelmäßigen Berichten über Surfer oder Schwimmerinnen, die im Meer von Haien angegriffen werden. Und vielleicht auch ein kleines bisschen an Steven Spielbergs Blockbuster »Der weiße Hai« – auch wenn der schon fünfzig Jahre alt ist. Dabei ist die Realität eine andere: Menschen sind viel gefährlicher für Haie als umgekehrt. Haie töten pro Jahr weniger als zehn Menschen, Menschen töten jährlich etwa 100 Millionen (!) Haie. Denn ihre Flossen, ihr Fleisch und ihr Öl sind begehrt.
Bei der 20. Artenschutzkonferenz (Cites COP20), die heute im usbekischen Samarkand beginnt, bemühen sich deshalb mehrere Staaten, weltweit den internationalen Handel mit Haien zu verbieten. Denn: »Gibt es keine Haie mehr, gibt es Chaos«, sagt der Haiforscher Gibbs Kuguru, mit dem meine Kollegin Alina Schadwinkel gesprochen hat. (Hier mehr dazu. ) Haie seien die »Reiniger der Ozeane«, sagt Kuguru. Sie fressen, was tot oder sterbend ist, und sorgen dafür, dass alles, was evolutionär nicht überlebensfähig ist, entfernt wird.
Wird das gelingen? Meine Kollegin Alina ist vorsichtig optimistisch; noch nie stünden auf einer Cites-Konferenz so viele Vorschläge zum Schutz von Haien und Rochen auf der Tagesordnung. Jetzt müssen sich nur noch die 184 Mitgliedstaaten und die Europäische Union auf die Handelsverbote einigen.
Lesen Sie hier mehr: Wenn die Haie verschwinden, droht das Chaos im Meer
Was heute sonst noch wichtig ist
Ökonomen fordern Aufgabe der geplanten Rentenreform: Im Streit über die Rentenpläne der Bundesregierung springen namhafte Ökonomen den jungen Unionsabgeordneten zur Seite. Sie fordern, das Rentenpaket zurückzuziehen. Die Fraktionsführung hält dagegen.
BSW-Politiker Dorst tritt nach Holocaust-Relativierung zurück: Nach einem umstrittenen Post, der als Relativierung des Holocaust verstanden wurde, hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende des Brandenburger BSW seinen Rücktritt erklärt. Seiner Fraktion bleibt Christian Dorst erhalten.
Udo Kier ist tot: Er wirkte in mehr als 250 Filmproduktionen mit, arbeitete zusammen mit Größen wie Fassbinder, Warhol oder Lars von Trier. Jetzt ist der Schauspieler Udo Kier im Alter von 81 Jahren gestorben.
Umstrittener Glasaufzug an Küstenklippe soll abgerissen werden – noch vor Fertigstellung: Ein geplanter Lift auf Nusa Penida, einer kleinen Nachbarinsel von Bali, hat heftige Kontroversen ausgelöst. Jetzt soll das Stahlgerippe verschwinden, damit der Blick auf den »T-Rex-Felsen« wieder ungetrübt ist.
Meine Lieblingsinterview heute: »Ich fühle mich auf der Bühne so sicher wie sonst nirgends.«
Howard Carpendale, 79, ist einer der bekanntesten Entertainer des Landes. Geboren in Südafrika, steht er seit fast sechs Jahrzehnten auf deutschen Bühnen. Im Gespräch mit meinem Kollegen Tobias Becker spricht er unter anderem darüber, dass er sich selbst nicht als Musiker sieht: »Peter Maffay ist Musiker, Udo Lindenberg ist Musiker. Diese Typen leben für ihre Musik. Ich bin immer lieber mit den Jungs Golf spielen gegangen als ins Studio. Klar, ich kann mich auf die Musik fokussieren. Aber bei meinen Konzerten will ich den Leuten mehr geben als nur meine Hits.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: »Ich habe zwei sehr unterschiedliche Frauen, die zusammen eine perfekte Frau sind«
Was heute weniger wichtig ist
Zweite Chance: Der Schauspieler und Musiker Donald Glover, 42, hat auf die Spekulationen über seine kurzfristig gestrichene Tour reagiert. Nachdem er mit starken Kopfschmerzen ins Krankenhaus gegangen sei, hätten die Ärzte einen Schlaganfall festgestellt und ein Loch in seinem Herzen entdeckt. Außerdem habe er sich einen Fuß gebrochen. »Sie sagen, jeder habe zwei Leben – und das zweite beginnt, wenn man merkt, dass man nur eines hat«, sagte er US-Medien zufolge. Man solle das eigene Leben genau so führen, wie man es wolle.
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Im Sommer hat Jérôme Boateng das Ende seiner Karriere als Fußballspieler bekannt gegeben; er möchte jetzt Trainer werden. In der neuen, dreiteiligen ARD-Doku-Serie »Being Jérôme Boateng« lernt das Publikum den Ex-Fußballer in der Rolle des liebenden Vaters kennen, der sich nachdenklich zeigt und Fehler zugibt. Dass es Gewaltvorwürfe gegen ihn gab, dass er wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt wurde, kommt zwar vor; allerdings vor allem aus seiner Perspektive. Interessant ist das trotzdem – weil es zeigt, wie Boateng sich darum bemüht, seinen schlechten Ruf loszuwerden. Sie könnten die Doku schauen. Und als eine Art Lektüreschlüssel dazu empfehle ich Ihnen den Text meiner Kollegin Maike Backhaus und meines Kollegen Jörn Meyn, die Boatengs Aussagen kritisch analysieren.
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Laura Backes, Autorin
Kanzler Friedrich Merz, US-Präsident Donald Trump (im Juni in Den Haag): Selbst Hardcorefans wenden sich ab
Foto:NATO / UPI Photo / IMAGO
Lobbyistin Ostermann: In mehreren Landesverbänden habe es »diese Art der Brandmauer noch nie gegeben«
Foto: Kay Nietfeld / dpaWeißspitzen-Hochseehai: Vom Aussterben bedroht
Foto: Norbert Probst / ddpBühnenstar Carpendale: »Ich bin immer lieber mit den Jungs Golf spielen gegangen als ins Studio«
Foto: Dominik BeckmannDonald Glover (2017)
Foto: Charles Sykes / dpaPreisschilder in einer Lidl-Filiale in Hamburg
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Thomas Plaßmann
Ex-Profi Jérôme Boateng: Sprachliche Manöver
Foto:Nicolò Campo / LightRocket / Getty Images