Selenskyj zeigt sich nach Ukrainegesprächen in Genf vorsichtig optimistisch

Die Ukraine-Gespräche in Genf haben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Fortschritte gebracht. "Bei den Schritten, die wir mit der US-Seite vereinbart haben, ist es uns gelungen, äußerst sensible Punkte einzubringen", sagte Selenskyj am Montag bei einer virtuellen Konferenz in Schweden. "Das sind wichtige Schritte, aber für einen echten Frieden braucht es mehr, viel mehr", fügte er hinzu.

Zuvor hatte bereits Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) die Gespräche in Genf als wichtigen Fortschritt begrüßt. Es sei »ein entscheidender Erfolg«, dass alle Fragen, »die Europa betreffen und auch die Nato betreffen«, aus dem von den USA vorgelegten Plan entfernt worden seien, sagte Wadephul im Deutschlandfunk.

Delegationen der USA, der Ukraine und mehrerer europäischer Staaten, darunter Deutschland, hatten am Sonntag in Genf Verhandlungen über den von den USA vorgelegten 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Ukrainekriegs aufgenommen. Er kam in seiner ursprünglichen Fassung Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen.

Mit der Berücksichtigung europäischer Interessen in den Verhandlungen sei ein erster Schritt gegangen worden, sagte Wadephul im Deutschlandfunk weiter. In einem zweiten Schritt müsse jetzt sichergestellt werden, »dass die Souveränität der Ukraine gewahrt wird«. Das heiße, »dass sie im Einzelnen darüber entscheiden kann, wann und welche Zugeständnisse sie gegebenenfalls macht«. Hier sehe sich Europa weiter als »Anwalt« der Ukraine.

Der ursprüngliche US-Plan hatte mehrere von Kyjiw seit Langem formulierte rote Linien überschritten. So verlangte er schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt.

Angesichts der neuen Version des Entwurfs  sprach auch US-Außenminister Marco Rubio in Genf von »enormen Fortschritten«. Die noch offenen Punkte seien »nicht unüberwindbar«, sagte er – ohne Details zu den strittigen Themen zu nennen. Wadephul wollte sich ebenfalls nicht zu Details äußern. Es sei aber klar, dass sich nicht über die Köpfe der Europäer und der Ukraine »hinweggeeinigt« werden könne. Es müsse sichergestellt sein, dass die Souveränität der Ukraine gewahrt bleibe.

Einer der problematischsten Punkte sei die Frage möglicher Gebietsabtretungen, sagte Wadephul. Der derzeitige Frontverlauf müsse Ausgangspunkt für Verhandlungen und nicht deren Endpunkt sein. Am Ende müssten beide Konfliktparteien eine Einigung tragen können. Russland müsse als Verursacher des Krieges »im Wesentlichen die Konsequenzen zu tragen haben«.

Mützenich will andere Länder beteiligen

Aus der SPD gibt es ambivalente Stimmen zu den Gesprächen. Der Plan könne auch mit dem Beitrag der Europäer keinen gerechten Frieden schaffen, sagte Rolf Mützenich dem SPIEGEL. »Gleichwohl können die Elemente ein Beitrag zu einer Einstellung der Kämpfe sein«, sagte er weiter.

Mützenich, der bis zur Bundestagswahl den Fraktionsvorsitz der SPD innehatte, schlägt eine Beteiligung Chinas, Indiens, Brasiliens und der Türkei vor. »Allein werden wir es nicht schaffen, und die europäischen Regierungen sind gut beraten, Partner zu finden, um das Momentum voranzubringen und am Ende nicht als Bremser dazustehen«, sagte er.

Der SPD-Außenpolitiker sieht sich in seiner Haltung bestätigt. »Dass jetzt Vorstellungen wie Demilitarisierung umkämpfter Gebiete, Einfrieren und Überwachung die Runde machen, war vor einiger Zeit für viele noch undenkbar«, sagte Mützenich. »Hätten wir früher diese Fragen neben der notwendigen Unterstützung für die Ukraine eingebracht, hätten wir heute vielleicht einen größeren Einfluss und Spielraum.«

Johann Wadephul

Foto: Sebastian Christoph Gollnow / dpa

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