»Die Stadtbild-Äußerung ist absolut missglückt«

Mit seinen Stadtbild-Aussagen hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Oktober eine hitzige Debatte ausgelöst. Er musste für das Gesagte viel Kritik einstecken – auch von der eigenen Partei. Nun hat sich auch Christian Wulff dazu geäußert. »Die Stadtbild-Äußerung ist absolut missglückt«, sagte der frühere Bundespräsident Mitte der Woche in einem Talk der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.

»Es wäre auch hilfreich, wenn der Bundeskanzler irgendwo sagen würde, dass das Beispiel so missglückt war«, sagte CDU-Mitglied Wulff. Unter dem Begriff Stadtbild stelle sich ja nun wirklich jeder etwas anderes vor.

Den Eindruck zu erwecken, die Probleme seien gelöst, wenn alle Menschen abgeschoben würden, die abgeschoben werden müssten, halte er für falsch und gefährlich, sagte Wulff weiter. »Wir dürfen nicht zulassen, dass Politiker sagen: ›Wir haben drei Probleme in Deutschland: Migration, Migration, Migration.‹ Oder: ›Die Mutter aller Probleme: Migration.‹« So etwas gieße Öl ins Feuer, sagte Wulff. »Das ist dummes Zeug.«

»Wir dürfen Menschen, die zu uns kommen, nicht immer nur problematisieren als Fälle für Kriminalität oder soziale Sicherungssysteme«, forderte Wulff. »Wir dürfen sie nicht ignorieren, sondern wir müssen sie gewinnen für unsere freiwilligen Feuerwehren, für unsere Parteien, für unsere Verfassung, für unsere Wirtschaft, für unser Land.«

Merz’ Aussagen haben viele verletzt

Merz hatte im Oktober gesagt, die Bundesregierung korrigiere Versäumnisse in der Migrationspolitik, »aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen«. Erst eine Woche später wurde er konkreter: Probleme machten jene Migranten, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und sich nicht an Regeln hielten.

Viele Menschen haben sich von dem, was Merz gesagt hat, verletzt gefühlt. Der Rapper Eko Fresh widmete der Stadtbild-Debatte einen neuen Song und fasste die Diskriminierung von Menschen aus Einwandererfamilien darin so zusammen: »Wir werden in der zweiten Reihe geparkt.«

In der vorigen Woche protestierten Dutzende junge Menschen gegen Merz, als dieser bei der Verleihung des Talisman-Preises für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Deutschlandstiftung Integration eine Rede hielt. Auch Wulff war anwesend, als Vorsitzender des Stiftungsrates hielt er die Laudatio.

Einige Stipendiatinnen und Stipendiaten verließen demonstrativ den Saal, als der Kanzler in Berlin die Bühne betrat. Sie trugen Sticker mit der Aufschrift »Wir sind das Stadtbild« und positionierten sich im Eingangsbereich für ein Gruppenbild. Erst nach der gut 20-minütigen Rede nahmen sie ihre Plätze wieder ein.

Eine Beteiligte hat dem SPIEGEL ihre Beweggründe dargelegt. Lesen Sie hier den Text. 

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