SPIEGEL: Herr Stroh, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie gehört haben: Die Regierung konnte sich nicht auf ein Wehrdienstmodell einigen.
Stroh: Ich war enttäuscht. Zuvor gab es ja bereits die Nachricht, man habe sich auf das Losverfahren geeinigt. Das hätte meinem Standpunkt entsprochen. Dass es dann doch anders kam, hat in meiner Generation eine wahnsinnige Verunsicherung hervorgerufen. Junge Menschen wollen ihre Zukunft verlässlich planen können. Manche wollen studieren, andere wissen schon, welche Ausbildung sie machen werden. Es ist wirklich nervenaufreibend, wenn sich die Wehrpflichtdebatte innerhalb weniger Stunden mehrmals dreht und am Ende keiner mehr weiß, was Sache ist.
SPIEGEL: Warum befürworten Sie das Losverfahren?
Stroh: Wegen der aktuellen Sicherheitslage. Wladimir Putins Russland führt einen Angriffskrieg und bedroht auch uns. Wegen Russlands Aggression reicht es nicht aus, auf Freiwilligkeit zu setzen. Es ist gut, wenn sich ausreichend viele junge Menschen von sich aus zum Wehrdienst melden. Aber wenn nicht, sollten wir genug Personal für die Bundeswehr auf anderem Weg sichern können.
SPIEGEL: Und was, wenn Sie wegen des Losverfahrens selbst in den Kampf ziehen müssten?
Stroh: Ich möchte es mir nicht vorstellen, wie das wäre. Aber ich habe hier Freunde, Familie. Ich liebe dieses Land und die Freiheit, in der ich aufgewachsen bin. Daher: Wenn ich ausgelost würde, wäre ich absolut dazu bereit.
SPIEGEL: Planen Sie einen Dienst bei der Bundeswehr ?
Stroh: Nicht konkret. Es gibt die Möglichkeit, nach dem Studium einen Lehrgang zum Offizier der Reserve zu machen. Das könnte ich mir vorstellen. Sicher ist: Sollte die Wehrpflicht doch kommen, werde ich mich nicht wegducken.
SPIEGEL: Da äußern Sie sich entschiedener als die meisten in Ihrer Generation. Einer Umfrage zufolge sind rund 70 Prozent der jungen Menschen gegen die Wehrpflicht.
Stroh: Natürlich gibt es Menschen, die Angst haben und einen potenziellen Eingriff in ihr Freiheitsrecht nicht gut finden. Gleichzeitig – und losgelöst davon, ob man nun für oder gegen die Wehrpflicht ist – habe ich den Eindruck, dass die meisten jungen Menschen die sicherheitspolitische Lage, in der wir uns gerade befinden, mit großer Sorge wahrnehmen. Deshalb sehe ich in meiner Generation viel Bereitschaft, für dieses Land und unsere Gesellschaft einzutreten.
SPIEGEL: Was würde aus Ihrer Sicht diese Bereitschaft erhöhen?
Stroh: Wenn man uns mitreden ließe. In meiner Generation liegt viel Potenzial, insbesondere bei der Frage, wie man den Wehrdienst für junge Menschen attraktiver gestalten kann. Aber das wird nicht ausgeschöpft, der bisherige Prozess war ein großes Durcheinander . In der Wehrpflichtdebatte kommt die junge Perspektive nicht vor.
SPIEGEL: Wie könnte die Politik die Gen Z und noch jüngere Menschen mehr einbeziehen?
Stroh: Anstatt immer nur zu sagen, was die Politik von uns will, sollte sie auch fragen: Was können wir für euch tun?
SPIEGEL: Zum Beispiel?
Stroh: Man könnte etwa die Möglichkeit diskutieren, für den Wehrdienst ECTS-Punkte anzurechnen. Die würden einem bei einem späteren Studium zugutekommen. Grundsätzlich gibt es viele Ideen, damit junge Menschen diesen Dienst als sinnvoll erleben. Diese sollten wir diskutieren – etwa in Form einer Bürgerbeteiligung für Leute, die künftig womöglich vom Wehrdienst betroffen sein werden.
SPIEGEL: Was erwarten Sie von der Regierung?
Stroh: Die SPD hat angekündigt, bis November eine Einigung zu erzielen. Ich erwarte ein wasserdichtes Konzept, mit dem meine Generation planen kann.