1. Kern des Südens
Der Stuttgarter Autobauer Mercedes steckt tief in der Krise. In den ersten neun Monaten schrumpfte der Gewinn um 50,3 Prozent auf 3,87 Milliarden Euro. Kaum ein Unternehmen ist mit dem »Made in Germany«-Gütesiegel so sehr verknüpft wie der Konzern mit dem markanten Stern. Im Ausland ist er vielerorts ein Synonym für deutsche Ingenieurskunst. Verglüht er, ist es auch um Deutschland schlecht bestellt, so die Annahme. Und so ganz weit hergeholt ist sie ja nicht. Auch das Land kommt wirtschaftlich nicht richtig in die Spur.
Der Vorstand bei Mercedes kündigte bereits im Februar ein Sparprogramm an: Die Produktionskosten sollen bis 2027 um zehn Prozent sinken, ebenso die Fixkosten. Mit Fixkosten sind in der Regel Personalkosten gemeint. Mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Mercedes ein Abfindungsprogramm für Beschäftigte außerhalb der Produktion.
Als ich meinen Schulabschluss in Baden-Württemberg machte, war nichts verheißungsvoller, als eine Lehre »beim Daimler« zu ergattern. Ich wollte aber damals schon Journalist werden. Meine Eltern meinten, ich solle zuvor wenigstens einen vernünftigen Beruf erlernen. Es wurde dann Fernmeldehandwerker bei der Deutschen Bundespost, da werde man wenigstens verbeamtet. Als hätten meine Eltern geahnt, dass die Autoindustrie auf Dauer nicht krisensicher ist.
Die Telekommunikationsbranche war es letztlich auch nicht. Kurz vor Abschluss meiner Lehre wurde die Telekom börsenfein gemacht, hieß: Die Personalkosten mussten sinken. Ich wurde nicht übernommen, geschweige denn verbeamtet. Journalismus scheint ein krisenfesterer Beruf zu sein. Krise ist immer irgendwie und irgendwo.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Mercedes meldet Gewinneinbruch
2. Rätselhafte Räume in Remscheid
Seit Tagen durchsuchen Ermittler ein unscheinbares dreistöckiges Haus an einer Hauptstraße in Remscheid, in dem sich eine Autowerkstatt befindet. Am Sonntag rückte ein SEK wegen des Verdachts auf Kriegswaffen aus. In den Kellerräumen fanden sie ein illegales Museum voller Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg und der späteren Sowjet-Ära: Maschinengewehre, Pistolen, Panzerfäuste, Granaten und Uniformen – Hunderte Stücke.
Doch es blieb nicht dabei. Hinter einem Tresor entdeckten sie einen geheimen Raum mit weiterer Munition und Handgranaten, eine davon musste in der Nähe gesprengt werden. Später stießen sie auf einen zweiten versteckten Raum mit schweren Infanteriewaffen – genug, um »eine gesamte Bundeswehrkompanie ausstatten zu können«, wie mein Kollege Tobias Großekemper den Leitenden Oberstaatsanwalt Tilman Baumert zitiert.
Hauptverdächtiger ist Konstantin I., 59, gebürtiger Kasache, er ist der Werkstattbesitzer. Die Durchsuchung dauert immer noch an, weitere Geheimräume sind nicht ausgeschlossen. Das Waffenarsenal wird als enorm gefährlich eingestuft; die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen bandenmäßigen Waffenhandels und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Ein Nachbar, der Konstantin I. seit knapp 20 Jahren kennt, beschrieb ihn am Mittwoch Tobias gegenüber als freundlichen, hilfsbereiten Mann, der in seiner Werkstatt allein vor sich hin werkelte. Nur eine Sache hatte den Nachbarn stutzig gemacht. Im Büro des gebürtigen Kasachen I. habe eine Ikonenmalerei gestanden, ein kleines Heiligenbild. Das Gesicht darauf sei das von Wladimir Putin gewesen, sagt der Nachbar. Angesprochen habe er I. darauf nicht.
Lesen Sie hier mehr: »Damit hätten Sie eine gesamte Kompanie ausstatten können«
3. Merz und die IPO
Bundeskanzler Merz ist nicht zu beneiden. Mit markigen Sprüchen leitete er seine Amtszeit ein. Seine Regierung werde alles ganz anders machen als die gescheiterte Ampel. »Deutschland ist unter der Ampel ärmer geworden. Deutschland hat unter der Ampel den Anschluss verloren. Deutschland hat unter der Ampel Wettbewerbsfähigkeit verloren.«
Und dann? Verkorkste Richterwahl, Konflikte beim Bürgergeld, Streit über die Wehrpflicht, überflüssige Stadtbild-Äußerungen. Und als wäre das nicht genug, ist Merz’ persönlicher Beliebtheitswert auf ein Tiefstniveau gesunken: In aktuellen Umfragen sind bis zu 72 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit unzufrieden, und die allgemeine Zufriedenheit mit der Regierung ist so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Man muss schon viel vergeigen, um noch unbeliebter zu sein als die Ampelregierung.
Jetzt bekommt Merz auch noch Gegenwind aus den eigenen Reihen, eine innerparteiliche Opposition (IPO) gewissermaßen. Nach den Debatten über die AfD-Brandmauer und das Stadtbild hat sich in der CDU eine Gruppe aus liberalen und sozialen Parteiströmungen gegründet, die auf Distanz zum Vorsitzenden geht. Sie nennt sich Plattform »Compass Mitte« und zu den Erstunterzeichnern gehören mehr als 30 Parteimitglieder, darunter der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter und die Vizechefin des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA) Monica Wüllner. Man kann auch sagen: alles frühere Merkelianer, die ihre Partei nach der Übernahme von Merz nicht mehr wiedererkennen. Die langjährige Parteichefin Angela Merkel hatte versucht, die CDU auch für eine linkere Klientel wählbar zu machen. Merz drehte die Partei danach wieder auf rechts.
Es ist nicht das erste Mal, dass eigene Parteifreunde Merz in die Parade fahren. Erst kürzlich drohten 18 Bundestagsabgeordnete der sogenannten Jungen Gruppe der Union damit, das geplante Rentenpaket der Regierung zu blockieren (hier mehr dazu). Wohl auch deshalb versucht der Kanzler dem Ärger in Berlin, wann immer möglich, zu entfliehen und sich als Außenkanzler zu inszenieren. Heute ist er zum Antrittsbesuch in die Türkei geflogen. Dass die Gespräche dort angenehmer werden, ist aber auch nicht zu erwarten.
Lesen Sie hier mehr: Neue CDU-Gruppe drängt Merz zu Kurskorrektur
Was heute sonst noch wichtig ist
Bundesregierung erhöht den Mindestlohn: Ab Januar soll der Mindestlohn in zwei Stufen auf 13,90 und dann 14,60 Euro erhöht werden. Das entschied die Bundesregierung. Der Beschluss erfüllt (fast) ein Versprechen der SPD – und sorgt bei Arbeitgebern für heftige Kritik.
Nvidia erreicht als erstes Unternehmen die Fünf-Billionen-Dollar-Marke: Nvidias Chips gelten als Schlüsseltechnik für KI. Nun hat der Konzern als erstes Unternehmen einen Börsenwert von fünf Billionen Dollar überschritten. Nvidia festigt damit seinen Status als wertvollste Firma der Welt.
Südkorea verkündet Handelsdeal mit Trump: Südkorea investiert Milliarden in den USA, im Gegenzug werden Zölle gesenkt: So beschreibt die Regierung in Seoul einen Deal mit Donald Trump. Der US-Präsident spricht ebenfalls von einer Einigung – ohne Details zu nennen.
Offenbar mehr als 460 Menschen in sudanesischem Krankenhaus von Milizionären getötet: Nach der Erstürmung einer Klinik in Darfur berichtet die WHO von mindestens 460 Toten. Zuvor hatte die RSF-Miliz den Ort erobert. Experten sprechen inzwischen von einem live zu verfolgenden »Massaker« an der Zivilbevölkerung.
Meine Lieblingsgeschichte: Wer schön sein will, muss schneiden
Menschen erfreuen sich seit jeher an Schönheit, schon immer haben sie sich füreinander zurechtgemacht. In den vergangenen Jahren scheint sich die Gesellschaft noch drastischer aufs Äußere zu fixieren. Es ist normaler geworden zu unterspritzen, zu botoxen, zu operieren. Meine Kollegin Carola Padtberg wollte wissen, warum die Schönheitsindustrie boomt und so viele Frauen, aber auch Männer mit ihrem Aussehen hadern. Der neue SPIEGEL-Titel liegt wegen des Feiertags in manchen Bundesländern bereits morgen am Kiosk und ist heute schon digital zu lesen. Für ihren Text erforschte Carola, wer ästhetische Ideale bestimmt, was Menschen schön finden und was das mit ihnen macht.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Du. Sollst. Schöner. Werden.
Was heute weniger wichtig ist
Enkel-Kick: Wer weiß, ob Kai Trump, 18, zu diesem Turnier eingeladen worden wäre, hieße sie nicht Trump und wäre ihr Großvater nicht Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Golfleidenschaft ihres Opas teilt sie allemal. Nun gibt Kai Trump ihr Debüt auf der LPGA-Tour und tritt beim prestigeträchtigen Turnier »The Annika« im Pelican Golf Club in Florida an. Es wird Mitte November ausgetragen und ist mit 3,25 Millionen US-Dollar dotiert (umgerechnet knapp 2,8 Millionen Euro). »Mein Traum war es immer, mit den Besten der Welt auf der LPGA-Tour zu konkurrieren.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages: Angst vor Vogelgrippe
Und heute Abend?
Wenn die »Tagesschau« den Tod eines Jazzmusikers vermeldet, muss er wirklich eine Größe gewesen sein. Auf den am Montag verstorbenen Schlagzeuger Jack DeJohnette trifft das zweifellos zu. Mehr als 60 Jahre war er auf unzähligen Platten und Konzerten zu hören, DeJohnette galt als einer der größten Innovatoren des Genres – und als einer der sympathischsten noch dazu. Anders als andere Schlagzeuger drosch er nicht auf sein Instrument ein, um zu beweisen, was er alles kann. Er war ein Meister der leisen Töne, keiner streichelte die Felle und Becken zärtlicher als er. Nirgendwo brachte er diese Gabe mehr zur Geltung als im Keith Jarrett Trio, dem er seit den Achtzigerjahren angehörte. Wenn Sie mögen, überzeugen Sie sich selbst von der Schönheit dieser Musik.
Ich wünsche Ihnen einen entspannten Abend. Herzlich
Ihr Janko Tietz, Leiter des SPIEGEL-Nachrichtenressorts
Mercedes-Stern: Zölle belasten das Geschäft
Foto: Markus Lenhardt / dpaWaffen in Remscheider Keller: Ein bizarres Privatmuseum mit Kriegswaffen aus dem Zweiten Weltkrieg
Foto: Wuppertal Police / Getty ImagesCDU-Chef Merz: Kritiker fordern eine größere politische Bandbreite
Foto:Ebrahim Noroozi / AP
»Du. Sollst. Schöner. Werden.« lautet der Titel des neuen SPIEGEL. Die Ausgabe erhalten Sie hier digital und ab Freitag am Kiosk.
Kai Trump (im Oktober 2022 in Florida)
Foto:Giorgio Viera / AFP
Baustellenverkleidung in Bingen am Rhein (Rhld.-Pf.)
Drohen Versorgungsengpässe bei Weihnachtsgänsen? Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Miriam Wurster / DER SPIEGEL
Musiker Jack DeJohnette
Foto: Javier Etxezarreta / EFE / dpa