Die Sprinterin Zoë Sedney, 23, hat Vorwürfe gegen den niederländischen Leichtathletikverband erhoben. In der niederländischen Ausgabe des Magazins »Runner’s World« berichtete sie von grenzüberschreitendem Verhalten eines Teamkollegen, das offenbar für ihn ohne Konsequenzen blieb und Sedney in eine tiefe Krise stürzte.
Im Sommer 2023 habe der Verband sie unerwartet zu einem Gespräch geladen. Darin wurde ihr mitgeteilt, dass ein anonymer Hinweis beim Verband eingegangen sei. »Sie sagten, ich sei in einer privaten Situation aufgenommen worden, als ich mit einem meiner Trainingspartner intim war, und dass diese Bilder verbreitet worden seien«, so Sedney. Sie habe nichts von den Aufnahmen gewusst.
»Du weißt nicht, was dir da gerade widerfährt. Du bist so verletzlich. Schrecklich«, sagte sie. Eine Klage wegen sexuellen Missbrauchs habe sie aufgrund des voraussichtlich langwierigen Prozesses fallen gelassen.
»Ich konnte unmöglich wieder mit ihm trainieren«
Dem Bericht von »Runner’s World« zufolge durfte der Teamkollege, der die Aufnahmen gemacht hatte, schon nach wenigen Monaten wieder zum niederländischen Sportförderzentrum Papendal zurückkehren. »Es hat kein offenes und ehrliches Gespräch gegeben, keine ehrliche Erklärung oder Stellungnahme. Es ist nichts geschehen, was mir den Eindruck vermittelte, dass er an sich arbeitet und aus der Situation gelernt hatte«, sagte Sedney.
»Ich konnte unmöglich wieder mit ihm trainieren. Ich bin jeden Tag dort, Leichtathletik ist mein Leben«, sagte Sedney. Sie habe den Technischen Direktor des Verbands konfrontiert, der habe jedoch keinen Grund zum Handeln gesehen. Sedney habe daraufhin das Trainingszentrum verlassen. »Ich war wütend. Ein Gefühl der totalen Ohnmacht.« Der Verband teilte mit, »gemäß den Vorschriften« gehandelt zu haben und »mehrfach Gespräche mit allen Beteiligten geführt« zu haben.
Rückzug und Depressionen
Sedney galt als talentierte Sprinterin. In der Jugend wurde sie mehrfach niederländische Meisterin, 2021 startete sie erstmals bei den Olympischen Spielen in Tokio. Auch auf eine Teilnahme an den Spielen 2024 in Paris machte sie sich Hoffnungen. Nach dem Vorfall in Papendal kehrte sie jedoch dem Sport den Rücken.
Sie sei wieder zu ihren Eltern gezogen und habe unter Depressionen gelitten. »Ich nahm Antidepressiva, weil es mir einfach wirklich nicht gut ging«, sagte sie. »Ich fühlte mich nur wohl, wenn ich nichts tat, keine Menschen um mich herum hatte, nicht nach draußen gehen musste.« Ihr christlicher Glaube habe ihr geholfen, mit der Situation umzugehen und schließlich hinter ihr zu lassen.
Inzwischen trainiert sie mit einem Para-Leichtathletikteam. »Ich kann ehrlich sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so glücklich war. Ich fühle mich gut«, sagte sie »Runner’s World«.
Zoë Sedney (l.): »Ich war wütend«
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