Deutsche Wirtschaft wächst stärker als erwartet

Die deutsche Wirtschaft ist zu Jahresbeginn doppelt so stark gewachsen wie zunächst geschätzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mitteilte. Zunächst hatte die Behörde ein Plus von 0,2 Prozent errechnet.

»Grund für das gegenüber der ersten Schätzung leicht höhere Wachstum war die überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März«, sagt Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. »Vor allem die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporte entwickelten sich besser als zunächst angenommen«, erläuterte Brand.

Stärker gewachsen als im ersten Quartal war das BIP zuletzt im dritten Quartal 2022: Damals gab es ein Plus von 0,6 Prozent.

Auch privater Konsum treibt das Wachstum

Die privaten Konsumausgaben stiegen um 0,5 Prozent zum Vorquartal. Mit der abflauenden Inflation und deutlich gestiegenen Löhnen in einigen Branchen haben viele Menschen mehr Geld in der Tasche. Auch wuchsen die Investitionen sowohl in Bauten (plus 0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7 Prozent).

Besonders die Exporte, etwa von Autos und Arzneien, stützten im ersten Quartal die Wirtschaft. »Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben«, schrieben die Statistiker.

»Donald Trump schiebt mit seinen Zöllen das Wachstum an«, kommentierte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski schrieb, das erste Quartal 2025 sei für Europas größte Volkswirtschaft das Beste seit dem dritten Quartal 2022 gewesen – dank Trump. Doch dies werde »bald zu einer positiven Eintagsfliege werden«.

Ökonomen blicken verhalten auf die kommenden Monate

Denn auch wenn das Wachstum nun höher ausfiel als gedacht, stehen die Zeichen wohl noch nicht auf Aufschwung: Laut der Bundesbank wird die Wirtschaft als Folge der US-Zollpolitik im laufenden zweiten Quartal in etwa stagnieren. Der Sachverständigenrat – auch die Wirtschaftsweisen genannt – rechnet damit, dass die Konjunktur auch im Gesamtjahr nicht in Gang kommt. Die Wirtschaftsweisen erwarten 2025 nur noch eine Stagnation der heimischen Wirtschaft – ebenso wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die EU-Kommission.

Das Ifo-Institut ist etwas optimistischer und erwartet 2025 immerhin eine leicht positive Wachstumsrate. Im Mai stieg der Ifo-Index den fünften Monat in Folge. Nach Einschätzung von Ifo-Präsident Clemens Fuest fasst die deutsche Wirtschaft langsam wieder Tritt.

2026 könnte wieder etwas Wachstum bringen: Der Sachverständigenrat rechnet dann mit einem Plus von 1,0 Prozent. Die geplanten Milliardenausgaben des Bundes für Verteidigung und Infrastruktur dürften nach Einschätzung von Ökonomen die Wirtschaft ankurbeln.

Entwicklung des Zollkonflikts könnte entscheidend sein

Den leichten Aufschwung zu Jahresbeginn hatten viele Ökonomen erwartet. Mit der sprunghaften Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump haben sich die Aussichten für die exportstarke deutsche Industrie jedoch deutlich verschlechtert. Trotz des Hoffnungsschimmers zum Jahresbeginn droht der deutschen Wirtschaft 2025 somit das dritte Jahr ohne Wachstum in Folge – das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Beruhigung im Zollkonflikt hat aber zumindest die Stimmung unter den deutschen Exporteuren verbessert. Das Barometer für die Exporterwartungen stieg im Mai auf minus 3,0 Punkte, nach minus 9,4 Zählern im April, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag mitteilte. Auch wenn es zu einer Deeskalation im Zollkonflikt gekommen sei, sei noch Vorsicht geboten, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe: »Denn es gibt weiterhin keine grundsätzliche Einigung zwischen den USA und der EU mit Blick auf die Höhe der Zölle.«

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