Die SPD leckt nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen ihre Wunden. 22,1 Prozent, das waren noch mal 2,2 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2020 und das schwächste Ergebnis nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerade im Ruhrgebiet hat die AfD stark aufgeholt, in Gelsenkirchen liegt die extrem rechte Partei fast gleichauf mit den Sozialdemokraten.
Steffen Krach, SPD-Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl im kommenden Jahr, zeigt sich alarmiert. »Die Ergebnisse zeigen: Die SPD ist dort stark, wo es starke Persönlichkeiten gibt, die konkrete Vorschläge und pragmatische Politik in den Kernthemen für die Menschen machen«, sagte Krach dem SPIEGEL. »Im Umkehrschluss heißt das aber, dass die SPD als Partei immer mehr an Vertrauen verliert.«
Seine SPD müsse den Wählerinnen und Wählern wieder beweisen, dass auf sie Verlass sei, dass sie das Leben bezahlbar und besser mache, sagte Krach. Er richtet einen Handlungsauftrag an die Parteispitze um Lars Klingbeil: »Die SPD muss raus aus der Defensive, selbstbewusst und mit klarer Sprache wieder die Menschen zurückzugewinnen.« Dafür brauche es die gesamte Partei von der Spitze bis zu den Mitgliedern, so Krach.
Bas und andere führende Sozialdemokraten hatten am Sonntagabend versucht, die Niederlage schönzureden. Zwar habe man den Abwärtstrend nicht stoppen können, sagte die Parteichefin. Das Ergebnis sei aber auch kein Desaster (Lesen Sie hier mehr zu den Folgen der Wahl für die Bundes-SPD ).
Serdar Yüksel, Bundestagsabgeordneter aus Bochum, sieht die Lage kritischer. Zwar habe die SPD in seiner Heimat ein gutes Ergebnis erzielt und er sei zuversichtlich, im zweiten Wahlgang auch den Oberbürgermeister stellen zu können. In Nordrhein-Westfalen insgesamt habe die SPD aber leicht verloren, sagte Yüksel dem SPIEGEL. »Dieses Ergebnis kann uns natürlich nicht zufriedenstellen.«
Er forderte die Parteispitze auf, sich »wieder stärker um die Brot-und-Butter-Themen kümmern – um die konkreten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger«. Dazu gehöre »eine klare sozialdemokratische Handschrift«, so Yüksel, »die Sicherung industrieller Arbeitsplätze, der soziale Wohnungsbau und eine Bildungspolitik, die allen Kindern echte Chancen eröffnet«. Hier müsse die SPD stärker fokussieren, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Auch Juso-Chef Philipp Türmer mahnt, der SPD müsse es »dringend gelingen, insbesondere Vertrauen im Arbeitermilieu zurückzugewinnen«. Das werde nur gelingen, wenn die SPD eine »klare linke Handschrift entlang von Verteilungsfragen« wiederfinde.
Im Klartext heißt das: Die SPD soll in der Koalition stärker auf Konfrontation mit der Union gehen. Ob sich Bas und Klingbeil darauf einlassen, ist jedoch offen.