Wie chaotisch wird das ESC-Finale?

1. Zwischen Feierlaune und Feindseligkeit

Ein kleines Land, das sich aus allen Konflikten gern raushält, richtet ein Spektakel aus, das so politisch aufgeladen wie selten ist: Am Samstagabend steigt das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in Basel.

Für Deutschland tritt das Geschwisterduo Abor & Tynna an und, Trommelwirbel, meine Kollegin Anja Rützel prophezeit: Obwohl wir Deutschen beim ESC traditionell eher im Verlieren gut sind (mehr dazu hier ), sieht es dieses Jahr etwas besser für uns aus (mehr dazu hier ).

Die ESC-Stimmung ist dennoch nicht fröhlich-egal wie in manchen Vorjahren. Wegen des Vorgehens im Gazastreifen gibt es Boykottaufrufe gegen Israel (mehr dazu hier). In der Kritik steht ausgerechnet eine Überlebende des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023, die israelische Kandidatin Yuval Raphael. Trauriger Tiefpunkt bisher: die Halsabschneide-Geste eines propalästinensischen Demonstranten. Viele, mich eingeschlossen, interpretierten sie als Morddrohung gegen Raphael (mehr hier).

Für den Finaltag am Samstag ist eine weitere propalästinensische Kundgebung in Basel geplant. Meine Kollegin Charlotte Theile hat recherchiert, wie das beschauliche Städtchen mit einem unerwartet schwierigen Megaevent umgeht.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie der Umgang mit Israel den Eurovision Song Contest spaltet 

2. Am Ende zählt für Trump das Geld

Heute ging Donald Trumps erste große Reise seit der Wiederwahl zu Ende. Was hat er in der Golfregion erreicht? Und verrät der viertägige Trip auch etwas über seinen Politikstil während seiner zweiten Amtszeit?

»Geld geht über alles«, bilanziert mein Kollege Roland Nelles. Menschenrechte dagegen scheinen Trump maximal egal zu sein. Das mag zur Person passen, damit wirft er aber nicht weniger als eins der ältesten geopolitischen Anliegen der USA über Bord, nämlich die weltweite Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten, schreibt Roland weiter.

Stattdessen bekommen die Golfstaaten Zugang zu amerikanischen Hightechchips. Die werden im globalen Wettrennen um neue KI-Technologie benötigt. Gut möglich, dass die Amerikaner diese Freigiebigkeit in ein paar Jahren bereuen und sich wünschen, finanzstarke Wettbewerber eher auf Abstand gehalten zu haben. Für Trump steht aktuell aber offensichtlich im Fokus, dass er neue Investitionen in die USA lotst. Und natürlich ist da noch das kleine Goodie für Trump aus Katar, ein 400 Millionen US-Dollar teures Luxusflugzeug (hier mehr über den Flieger ).

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Trump in tausendundeiner Pracht 

3. Medienspektakel in New York

Die Kronzeugin im Strafverfahren gegen Sean »Diddy« Combs, Casandra Ventura, tritt heute in New York erneut in den Zeugenstand. Als »Opfer 1« wird sie am Freitag weiter von Combs’ Verteidigungsteam in die Zange genommen. Die Staatsanwaltschaft macht offenbar Tempo und will diesen Punkt am Freitag abschließen. Denn Ventura ist hochschwanger mit ihrem dritten Kind. Muss sie abbrechen, könnte das den Prozess sprengen.

Venturas bisherigen Aussagen haben es in sich: Die Ex-Freundin des US-Rappers wirft ihm Vergewaltigung und Erpressung vor (mehr dazu hier). Sie war die Erste, die mit ihren Missbrauchsvorwürfen gegen Combs an die Öffentlichkeit gegangen war. Die Bundesanwaltschaft will Combs wegen Menschenhandels und der Leitung einer kriminellen Vereinigung ins Gefängnis bringen. Er sitzt seit Mitte September in Untersuchungshaft und weist alle Vorwürfe zurück.

»Egal welches Urteil am Ende gefällt wird – Venturas Schauergeschichten werden für immer an Diddy kleben«, sagte mein Kollege Matern von Boeselager. Er ist in New York und konnte sich im Gerichtssaal ein Bild von dem Prozess machen. Der sei das »ultimative Spektakel für die amerikanische Öffentlichkeit«, so Matern, und berichtet vom Ausnahmezustand vor dem Gebäude in Manhattan. »Der Andrang von Reportern und Zuschauern während der ersten Woche war riesig.«

  • Lesen Sie hier mehr über den Prozess: »Es ist grauenhaft, entmenschlichend, brutal« – sagt sogar Sean Combs’ Anwältin 

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Attentäter von Salman Rushdie zu 25 Jahren Haft verurteilt: Er hatte mit einem Messer auf den Schriftsteller Salman Rushdie eingestochen. Für die Tat aus dem Jahr 2022 muss Hadi Matar nun ins Gefängnis.

  • Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs lässt Amt ruhen: Wegen interner Ermittlungen zieht sich Karim Khan bis auf Weiteres von seinem Posten als Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zurück. Hintergrund sind Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen ihn.

  • Immer mehr Firmen schrumpfen ihre Büros: Der Trend geht zum Homeoffice: Jedes vierte Unternehmen in Deutschland hat mehr Bürofläche, als es braucht, oft wird sie verkleinert. Das dürfte noch lange Folgen haben.

  • Bayer will offenbar Glyphosat-Prozesse beenden – notfalls durch Monsanto-Pleite: Vor sieben Jahren kaufte Bayer den US-Konzern Monsanto und holte sich damit milliardenschwere Klagen gegen den Unkrautvernichter Glyphosat ins Haus. Jetzt hofft Bayer laut einem Bericht auf einen Schlussstrich.

  • Bau-Magnat und 16 weitere Personen nach Einsturz von Hochhaus in Bangkok verhaftet: Nach dem verheerenden Einsturz eines Hochhauses in Bangkok mit mehr als 90 Toten sind die ersten Verdächtigen verhaftet worden. Einer von ihnen ist der thailändischen Justiz nicht unbekannt.

Meine Lieblingsglosse heute: Eine Sternstunde

Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan über die begeisterten Reaktionen auf Merz’ erste Regierungserklärung:

Nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, auch in Fachkreisen ist die erste Regierungserklärung von Friedrich Merz mit Begeisterung aufgenommen worden. Der neue Bundeskanzler hatte am Mittwoch die Grundzüge seiner Politik dargelegt, wobei er wiederholt vom Applaus nicht nur seiner Unionsfraktion, sondern aller Anwesenden unterbrochen wurde. Selbst die eigentlich zur Neutralität verpflichteten Saaldiener konnten sich nicht zurückhalten: »Es war eine Sternstunde des Parlamentarismus«, äußerte ein sichtlich gerührter Bundestagsbediensteter: »Froh und dankbar dürfen wir sein, ihr beigewohnt zu haben.«

Dank erhielt Merz auch vom Deutschen Tourismusverband, der sich erfreut von Merz’ ausführlicher Beschreibung seiner Reisen in den ersten Amtstagen zeigte. Man erhoffe sich nach der Kanzlerrede einen deutlichen Anstieg bei Städtereisen und Kurztrips.

Jugend- und Elternverbände verwiesen auf eine weitere Qualität der »herausragenden« Regierungserklärung: Dass Merz seine aufrüttelnden Worte an die junge Generation (»Helft mit, denn die Zukunft gehört euch!«) an den Schluss gesetzt habe, beweise sein Vertrauen in die Konzentrationsfähigkeit gerade der minderjährigen Zuhörerschaft. Vereinzelt sei bereits eine erhöhte Bereitschaft Jugendlicher zum Einräumen der Spülmaschine zu verzeichnen.

Für seine glänzende Auftaktrede soll Friedrich Merz nun ausgezeichnet werden: Der Kanzler erhält schon jetzt den Preis für die »Rede des Jahres« – obschon die Jury ihm zutraut, im Laufe seiner Amtszeit noch bessere Ansprachen zu halten: »Der neue Bundeskanzler hat eindrucksvoll sein Talent bewiesen.« Jetzt fehle nur noch etwas Regierungserfahrung, doch man sei sich sicher: »Bald schon redet er so mitreißend wie seine Vorgänger Angela Merkel und Olaf Scholz.«

  • Alle Folgen »So gesehen« finden Sie hier

Was heute weniger wichtig ist

Gone Girl: Unbekannte haben in Slowenien die Bronzestatue der amerikanischen First Lady Melania Trump, 55, gestohlen. Laut der Polizei in Ljubljana wurde die lebensgroße Skulptur in Trumps Heimatort Sevnica auf Höhe der Fußknöchel abgesägt und entfernt, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Der Künstler, der die Statue erschuf, äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP diesen Verdacht: »Mein Gefühl sagt mir, dass es etwas mit der Wiederwahl [von Donald Trump] zu tun hat, aber wer weiß das schon, oder?«

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und am Wochenende?

Als Reiseland stehen die USA aktuell nicht hoch im Kurs. Die Zahl der Reisenden aus Deutschland ist zuletzt zumindest massiv eingebrochen. Überbrückungshilfe für eventuell zurückgestellte Amerikapläne liefert die vor wenigen Tagen veröffentlichte fünfte Staffel des Doku-Podcasts »50 States« vom Bayerischen Rundfunk . Der Autor hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Bundesstaaten abseits der ausgetretenen Pfade zu bereisen. Klingt nach Traumjob. In Staffel fünf ist er in den Rocky Mountains unterwegs, und man lernt in charmanten Miniaturen viel darüber, wie die Amerikaner ticken.

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihre Angela Gruber, Autorin im Wirtschaftsressort

Sängerin Raphael

Foto: Peter Schneider / KEYSTONE / dpa

Trump beim Moscheebesuch in Abu Dhabi (am 15. Mai)

Foto:

Alex Brandon / AP

Ausschnitt aus Belastungsvideo

Foto: Jane Rosenberg / REUTERS

Kanzler Merz

Foto:

FILIP SINGER / POOL / EPA

Foto:

Jure Makovec / AFP

Aus dem amtlichen Kreisblatt für Gifhorn, »Aller-Zeitung«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Chappatte

Verwandte Artikel

Next Post